Reiseblog 2 - Potosí (Silbermine im Cerro Rico)

Der Hauptplatz in Potosí. Im Hintergrund der Cerro Rico - Reicher Berg

Potosí (Silbermine im Cerro Rico)

AM ENDE GIBT ES EIN VIDEO

Am 26. Dezember trennen wir uns also, die Familie fährt direkt nach Uyuni weiter, wir machen einen Tag Zwischenstopp in Potosí. Diese Stadt hat einige Besonderheiten.
Es ist die höchste Großstadt der Welt auf über 4000m, höher als La Paz.
Sie liegt aber an einem Berghang, also ist der tiefste Ort 1000 Höhenmeter tiefer als der höchste.
Und berühmt oder berüchtigt ist sie, weil es hier eine Mine gibt, aus der die Spanier vor ein paar Hundert Jahren große Teile ihres Silbers gewonnen haben, und dabei lokale Indigene und afrikanische Sklaven in den dunklen Tod geschickt haben.
Diese Minen kann man besichtigen, und genau das haben wir vor.
Aber es ist kein Museum oder toter Stollen, es wird dort noch immer gearbeitet!

Um 7 Uhr fahren wir mit dem Bus 3h (für 2,50€) nach Potosí.
Man merkt, wie sich die Landschaft wandelt, von grün und hügelig zu kargem Hochland. Endlich sieht man wirkliche Berge und auch die Vegetation ist daher recht inexistent.


Ein typisches Dorf am Weg






Das Wichtigste: Die Cancha (Sportplatz). Die gibt es in jedem Kaff, und in fast jeder Schule

Wir kommen am Terminal an, das in den Außenbezirken liegt und wollen gleich die Weiterreise nach Uyuni buchen. Leider, und sehr typisch, gibt es mehrere Terminals. Hier sind wir am Neuen, die Busse nach Uyuni fahren aber vom Alten.
Also fahren wir mit dem Micro dort hin. (Das sind die Busse in bolivianischen Städten. Privat und auf irgendwelchen Routen unterwegs. Wenn jemand aus- oder einsteigen will, bleibt der Bus einfach stehen. Daher rühren viele der Verkehrsprobleme in Bolivien).

Die Höhe spüren wir beide ein bisschen in Form leichter Kopfschmerzen, aber es ist nicht schlimm und soll der einzige Tag sein, an dem wir Probleme haben.
Von Stiegen steigen natürlich abgesehen!
Ein anderes Problem ist hier in der Höhe aber die Sonne, denn diese brennt wesentlich stärker herunter. Wir bekommen einen leichten Sonnenbrand obwohl wir wirklich kaum in der Sonne waren. Später werde ich mich wann immer möglich durch lange Kleidung schützen.
Die Allzweckwaffe des Bolivianers ist natürlich das Koka. Hier überlebenswichtig und alltäglich, außerhalb Südamerikas eher berüchtigt.
Eine Kokabacke hilft dabei, mit der Höhe und der dünnen Luft klarzukommen. Außerdem beruhigt sie den Magen, gibt dir Energie und nimmt die Müdigkeit, lässt dich Sonne, Hunger und Durst weniger spüren.

Warte… Eine Kokabacke? Was ist das denn?
Es funktioniert folgendermaßen: Man kauft sich (gibt es an jeder Ecke) ein Säckchen Kokablätter. Die sind unbehandelt, vielleicht getrocknet, aber sonst direkt vom Strauch. Davon nimmt man sich nun ein bisschen (Mengen variieren von ein paar Blättern bei schüchternen Touristen bis zu einer Handvoll bei Nachtbusfahrern) in den Mund, lässt den Speichel die Blätter einweichen und zerdrückt sie ein bisschen. Dann formt man einen Ball (hier bolito, also Kügelchen) und legt den zwischen Zähne und Backe. Dort bleibt er nun, mindestens eine Stunde. Man kann auch wieder nachstopfen und so den Effekt verstärken. Dabei werden Backe und Zunge ein bisschen taub.
Den Saft der sich löst saugt man heraus und schluckt ihn, darin sind die hilfreichen Stoffe (drei Typen von Kokain).
Um dem Prozess nachzuhelfen nimmt man außerdem immer ein bisschen Bicarbonat (quasi Backpulver). Dieses löst die Stoffe besser aus dem Koka.
Der Geschmack des Ganzen ist gewöhnungsbedürftig, nicht wirklich lecker. Aber es hilft gegen die Höhenkrankheit.

Hier gehen wir das erste Mal auf Tourenanbietersuche. Das werden wir noch öfter tun und im Prinzip läuft es immer gleich.
Zuerst erkundigt man sich online (TripAdvisor ist dabei die Dominanz in Lateinamerika). Dort liest man viele verunsichernde Meinungen von Touristen mit (teilweise) verblendeten Erwartungen. Man reist in Bolivien, also kann man nicht zu viel Service, Luxus oder Sicherheit erwarten.
Es geistern oft Horrorgeschichten herum, die gehyped werden und allen Leuten Angst machen. In Wirklichkeit ist es aber nicht halb so schlimm.
Beispielsweise die Sicherheit in der Mine, oder später betrunkene Fahrer in Uyuni mit Horrorcrashs.
Und wir, die wir hier leben sind daran gewöhnt, also sind diese Meinungen oft keine gute Referenz. In Bolivien läuft alles sehr tranquilo (ruhig). Dann wartet man eben eine Stunde. Dann ist eben das Auto kaputt. Egal!

Auch die Preise sind über unserer Gehaltsklasse angeordnet.
Hier ist es wirklich so: du bekommst das was du bezahlst. Alle Touren gibt es immer in allen Preiskategorien. Die günstigsten haben einen schlechten spanischen Führer, keine Sicherheit, größere Gruppen, schlechteres Essen und Unterbringung etc.
Wenn man mehr ausgibt bekommt man eher das Luxuspaket, gut für manche Touristen (und ja, wir machen uns öfter lustig über Touristen. Man kann fast nicht anders, wenn man hier lebt). Das bedeutet gute Unterbringung und Essen, ein netter englischer Guide, kleine Gruppen etc.
Aber am Ende machen alle Touren immer die genau gleichen Dinge, nur eben mehr oder weniger luxuriös.
Wir reisen günstig, müssen daher auch mit den günstigeren Touren haushalten.

Auch sehr typisch Bolivien ist dies: Wenn schon, denn schon.
Wenn es etwas gibt, dann immer gleich 1000 davon. Seien es Tourenanbieter hier oder die in Samaipata, Busgesellschaften am Terminal oder Ventas oder am Dinge Markt.


Wir gehen ein bisschen herum, hören uns ein paar Angebote von verschiedenen Anbietern an, um ein Preisgefühl zu bekommen.
Es gäbe eine Tour zu zweit, mit einer guten Gesellschaft um 25€.
Sonst sind es eher größere Gruppen, 6-7 Leute. Wir finden eine Tour um 10€ und schnappen zu.
Zufälligerweise sind wir die einzigen Personen, die bei diesem Anbieter die Tour machen, also sind wir doch alleine!

Also, genug Vorgeschichte, jetzt geht es auf zur Mine!


In der Mine

Unser Führer ist ein Ex-Miner. Er hat mit 15 begonnen in der Mine zu arbeiten, hat aber nach 6 Jahren wieder aufgehört. Damit hatte er Glück. Es gibt immer noch viele Kinder und Jugendliche, die, um zu überleben, in der Mine arbeiten müssen

Es ist Pflicht für jeden Besucher, den Arbeitern Geschenke mitzubringen
Also fahren wir zum Markt und kaufen Koka, Zigaretten, Refresco (also ein Erfrischungsgetränk). Und Dynamit. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen. In Potosí ist der einzige Markt der Welt wo jeder Dahergelaufene sich Dynamit kaufen kann. 2€ die Stange!










Das Koka ist aber das Wichtigste. Manche Arbeiter geben 20% ihres Einkommens wieder für Koka aus. Es hilft, die manchmal 24h dauernden Schichten zu überstehen, in denen die Arbeiter nicht aus der Miner herauskommen.
Das liegt aber nicht an einem sadistischen Arbeitsgeber, denn hier wird mehr oder weniger privat gearbeitet. Es gibt Vereinigungen vor Arbeitern, doch am Ende bekommt man nur den Profit für das was man fördert. Wenn man nichts findet, muss man bleiben und arbeiten, um die Familie ernähren zu können.
Auch der Alkohol ist wichtig für sie, sie trinken den 95%igen pur, denn je reiner der Alkohol, desto reiner werden die Erzadern die man findet.

Unser Führer erzählt auch etwas über die Geschichte des Berges.
Früher, vor den Spaniern, war der Berg heilig für die Indigenen und das Erz wurde trotz des Wissens um sein Vorkommen nicht herausgeholt.
Das änderte sich aber mit der Ankunft der Spanier. Diese wollten das Silber (und nur das Silber, obwohl es auch Blei, Kupfer, Zinn und Zink gibt. Diese werden heute hauptsächlich abgebaut. Manche schätzen, dass noch 20 Jahre Bergbau an Erz im Berg stecken. Dann wird endgültig Schluss sein.)
Die Indigenen wurden versklavt und in die Mine geschickt, dazu wurden noch afrikanische Sklaven dazu geholt. Diese starben wegen der ungewohnten Höhe jedoch ziemlich schnell.
Insgesamt sind in dem Berg schätzungsweise 8 Millionen Menschen ums Leben gekommen.
Dafür wurden an die 60.000 Tonnen Silber herausgequetscht.

Später, nach den Spaniern, gehörte die Mine dem Staat und es gab gute Maschinen und direkt davor eine gute Raffinerie.
Dann wurde die Mine jedoch aufgegeben, zu gefährlich und nicht mehr lukrativ.
Doch die Leute sind auf die Mine angewiesen, um ihr Überleben zu sichern.
Sie begannen also auf eigene Faust in der Mine weiterzuarbeiten. Diesmal jedoch wesentlich gefährlicher, ohne Sicherheitsvorkehrungen und natürlich ohne Versicherung.
Alle Kooperationen haben ihren eigenen Eingang (300 Eingänge insgesamt), der ganze Berg ist durchlöchert wie ein Ameisenhaufen. Und alle sprengen sich fröhlich mit Dynamit einen Weg voran, ohne Absprache natürlich.
Die meisten Arbeiter sterben mit ca. 40 Jahren an der Siliziumlunge, von beißenden Gesteinsmehl, das durch das Sprengen und Graben in ihre Lungen kommt.
All das um Geld zum Überleben zu verdienen.
Heute arbeiten geschätzte 15.000 Menschen in der Mine, es gibt auch viele Kinder. Die Sache mit der Kinderarbeit ist in Bolivien anders. Denn das Gesetz zählt nicht viel, wenn es darum geht, die Familie über die Runden zu bringen. Dann müssen eben alle mithelfen.
Ihre Leben haben sich aber verbessert, seit es Touren für Touristen in die Minen gibt. 30% der Einnahmen der Agenturen gehen an die Arbeiter, damit werden Medizin oder Verletzungen bezahlt. Außerdem gibt es eben Geschenke für die Arbeiter, und auch viele Menschen haben im Tourismus Arbeit gefunden.

Die Arbeit nahe der Spitze sind verboten, da der Berg bereits einsackt. Die Spitze ist schon eingebrochen und hat einige Arbeiter verschüttet. Sie wurde dann mit flüssigem Beton aufgefüllt und so gestützt.
Nach unten geht es bis zu 150m tief, ganz unten hat es über 40°C und die Arbeit ist kaum auszuhalten. Es ist auch gefährlich, weil sich die Zündköpfe des Dynamits selbst entzünden können. Daher muss man sie oben vorbereiten und mit hinunternehmen.
Die Löcher für die Dynamitstangen werden mit Presslufthammer (der ist aber teuer zu betreiben) oder per Hand geschlagen. Dann legt man die Zündschnur, eine Handspanne ist etwa 1 Minute. Es wird gezündet und alle laufen in die andere Richtung in Sicherheit.
Nach den Explosionen gibt es natürlich noch mehr Staub, gut für die Lungen.
Und obwohl die Arbeiter Atemschutzmasken tragen ist der Staub sehr reizend.

Schwenk zurück zu unserem Abenteuer:
Wir fahren die Ausrüstung holen. Das heißt Gummistiefel, Überhose und Überjacke, Helm mit Lampe und eine Atemschutzmaske. Plus natürlich die Geschenke.
Die Fahrt zum Berg führt uns an den verlassenen Raffinerien vorbei und bietet einen tollen Blick über Potosí.




Oben steigen wir aus und gehen auf ein kleines Loch im Berg zu. Es kommen Schienen daraus hervor. Das soll der Eingang sein?




Ja, das ist der Eingang. Gebückt durch die Pfützen von Regenwasser stapfend begeben wir uns in den dunklen Abgrund.
Es ist wirklich ein Nachteil groß zu sein, manchmal kann man in den Gängen stehen, doch meistens sind sie schulter- oder brusthoch. Ich bin froh um meinen Helm. Aber die Kopfhaltung ist sehr anstrengend, wenn man nach vorne sehen möchte.
Warum sind die Hauptschächte so klein, fragt man sich?
Da nur gefundene Adern Geld einbringen wird keine Zeit damit verschwendet, große Gänge zu graben. Das wäre nur extra Arbeit.








Meistens gehen wir auf Geröll, oft sind auch große Wasserlachen im Gang, diese haben sehr gesund aussehende Braun- und Rottöne
Die Wände sind sehr grob behauen und Stützen such man meist vergebens. Es ist einfach ein Loch im Berg, nicht mehr.
Gibt es einmal Stützen, sind sie meistens schon gebrochen oder angeknackst. Soviel zur Sicherheit.

Kurz nach dem Eingang kommen wir bei einer Teufelsstatue vorbei. Diese wird von den Arbeitern angebetet, und Opfer wir Koka, Zigaretten und Alkohol werden dargebracht um eine sichere und erfolgreiche Suche zu gewähren.
Der Teufel ist eine Erfindung der Spanier, die die Arbeiter damit zum Arbeiten zwingen wollten.




Es geht weiter in den engen Gängen. Er zeigt uns eine Silberader, diese ist dunkler und hat ca. 60% Silberanteil. So ein Fund macht Arbeiter glücklich!

Auch zeigt er uns das giftige Arsenid, Tropfsteine aus einer Kupferverbindung und Quarzablagerungen.




Nach unten und oben gibt es Verbindungslöcher, diese sind wirklich tief. Ausrutschen will man da nicht. Hoch und runter bewegt man sich an einem Seil, dies ist etwas unpraktisch, wenn man vor einer Dynamitexplosion flüchten muss.
Wir treffen in einer Aufenthaltshöhle einen Arbeiter. Dort gibt es Strom und Licht, die Kabel dazu hängen gemeinsam mit den Druckluftröhren einfach im Gang herum.
Hier werden die Dynamitsprengsätze gebaut.
Der Mann arbeitet seit 42 Jahren in der Mine, täglich 8 Stunden.





Wir klettern weiter und wollen ein Niveau nach unten, also geht es ein Loch hinunter. Doch und kommt eine Gruppe Arbeiter entgegen.
Sie rufen „Rauf! Rauf! Schnell!“. Also drehen wir um und klettern zurück, laufen noch ein bisschen den Gang entlang. Dort setzen sie sich hin und warten. Ich bin verwirrt von der Aktion, doch kurz darauf spüre und höre ich den Grund. Der ganze Berg erzittert bei 10 Detonationen, man hört ein sattes Wumms.
Sie haben gerade gesprengt, daher ist jetzt alles voller Staub. Da können wir leider nicht hinunter. Aber nicht verzagen, sagt der Führer. Gehen wir eben nach oben.
Wir geben den Arbeitern etwas zu trinken, Zigaretten und Koka und machen uns auf den Weg.
Da wummst es plötzlich 10-mal über uns. So viel zu dem Plan. Und so viel zu sicheren Sprengungen!

Also machen wir uns auf den Rückweg nach draußen. 



Dort zeigt er uns die Berge von Abraum. Hier wird auch das Mischerz abgelagert und aus der Stadt gebracht, wo dann aus 10 Tonnen Gestein 1 Tonne Silber gewonnen wird. Bei den Adern sind es 6 Tonnen!
Er verkauft uns auch Silber- und Bleierz, zusammen um 1,20€.
Wir verabschieden und bedanken uns für die Tour und machen uns auf den Weg zum Terminal. 
Dort finden wir einen Bus der in 10 Minuten nach Uyuni fährt. (3,50€ für 4h). Unser Glück ist uns treu, und die spontane Reiseart zahlt sich aus!
In Uyuni müssen wir aber spätabends noch ein Hostal finden. Ich habe schon ein wenig Schiss, aber über die Straße vom Bushalteplatz gibt es ein günstiges Hostal. Wir quartieren uns ein und freuen und schon aus die Uyuni-Tour!
Das war ein ziemlich erlebnisreicher Tag!





Hier das Video:



Weiter zu Teil 3:

http://zivi-bolivi.blogspot.com/2018/01/reiseblog-3-salar-de-uyuni-grote.html


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