12. Eintrag

Es ist Grapefruit-Saison

Visum

Endlich, endlich halte ich meinen bolivianischen Carnet (Ausweis) in Händen! Im November haben wir den Bürokratieweg begonnen, nun 5 Monate später sind wir fertig. Und haben für die letzten 3 Monate noch ein Visum. Yeah!


Mein Ausweis! Endlich!

Haustiere

Vor ein paar Monaten hat eine Katze Babys bekommen, im Kleiderschrank einer Volontärin gegenüber. Dann ist die Katzenfamilie umgezogen zu uns. Zuerst waren es 5 Babys und die Mutter, dann waren es nur noch 2. Diese waren ziemlich lange bei uns und wir waren hin und hergerissen zwischen „Sie sind echt süß“ und „wir wissen nicht womit wir sie füttern sollen“ und „Wir wollen sie eigentlich nicht anfüttern, weil wir bald gehen und wer weiß ob die nächsten Katzen wollen“ und „Was machen wir, wenn sie krank werden oder ein Hund sie anfällt“.
Aber das hat sich gelöst in dem Sinn, dass sie plötzlich weg waren. Dann war ein paar Tage ein anderes Katzenbaby da, aber das ist auch wieder verschwunden. Zuerst eines und danach zwei andere Babys wohnen nun in einem der Internate.
Ja... ich bin auch verwirrt wo jetzt wer wohnt, keine Sorge.

Unser Freund der Hase ist übrigens auch nicht mehr aufgetaucht… Gefressen? Man weiß es nicht.
Einzig die Mutterkatze kommt ab und zu noch vorbei.


Eines der Katzenbabys

In besagtem Internat bin ich am Wochenende öfters zu Besuch, man kann sich durchfüttern lassen, wenn man zu faul zum Kochen ist. Danach wird Volleyball gespielt oder eine Koreanische Soap Opera auf Spanisch geschaut.

Wohnen bei Brigitta

Unsere Freundin Brigitta macht Urlaub in der Schweiz, wir hüten in der Zwischenzeit ihr Haus und dürfen natürlich alles benutzen.
Das heißt ein EIGENES ZIMMER, Dusche, tolles Klo (wo man das Papier runterspülen kann! Sehr ungewohnt), eine super Küche mit coolen Geräten, Sofas, Fernseher, ein voller Kühlschrank, ein Wohnzimmer DRINNEN. Nichts Besonderes in Europa, aber hier ist es eine rechte Abwechslung.
So genießen wir quasi 3 Wochen Urlaub, kochen und backen coole Sachen und genießen das Leben.



Als nächstes kommen zwei große Geschichten im Tagebuch-Format. Das hat den Grund, dass 2 Wochen sehr voll gestopft sind.
Zuerst das Sportturnier für das wir zwei Monate trainiert haben und danach die 50-Jahre Feier der Schule.

Volleyball

Das Training ist gleichermaßen anstrengend und schön. Wie auch beim Informatik-Unterricht ist der Unterricht/das Training an sich die angenehme Sache und alles was so damit einhergeht eher anstrengend.
Zum einen gibt es einen anderen Trainer der uneingeladen ein bisschen meine Position sabotiert hat. Zuerst war ich froh, denn er hatte mehr Ahnung von Übungen und Autorität, aber es ist doch mein Team und ich habe viel Zeit und Stress investiert und ein dahergelaufener Typ schnappt sich das nicht weg! Daher kam es mir gelegen, dass die Direktorin angeboten hat ein Wörtchen mit ihm zu reden. Danach war ich wieder alleine als Trainer, aber nun mit besseren Übungen. Danke!


Trainer Valentin

Als Trainer und Teamleiter ergeben sich halt noch mehr Verantwortungen, das weiß man erst wenn man es selbst mal erlebt hat. Für mich ist es das erste Mal, dass ich so eine Position innehatte.
Beispielsweise die Frage der Uniform und eines möglichen padrinos (quasi reicher Onkel der es spendiert. Ein SEHR wichtiger Teil der Kultur hier. Jede Promoción hat zum Beispiel Padrinos für ihre T-Shirts, das Essen, die Deko, Andenken (Ringe) etc.)
Dann die Auswahl des Teams. Von 18 am Anfang können nur 10 ins Team. Zuerst hieß es noch 12 kommen ins Team, dann plötzlich doch nur 10. Unangenehm, wenn man plötzlich zweien sagen muss, ach du bist doch nicht im Team. Dann kamen noch ein paar Spätstarter, die gut spielen und es wissen und sich deswegen mehr erlauben.
Der Konflikt bei der Auswahl zwischen denen die immer und pünktlich und begeistert zum Training kommen aber nicht so gut spielen, und den pubertierenden, nicht kommenden, „ich weiß, dass Ichs kann“ Spielerinnen, die aber gut spielen. Moralisch schwierig. Auch die Ersatzspielerinnen im Turnier spielen lassen, wenn man gewinnen will und doch auch will, dass auch die Schwächeren drankommen.
Außerdem nerven sie viel damit, dass sie im Colisseo (wo das Turnier sein wird) trainieren wollen und Freundschaftsspiele mit anderen Schulen haben wollen. Zum Glück bin ich da die perfekte Ansprechperson!

Oft ist es mir passiert, dass ich eine unangenehme Entscheidung herausgeschoben habe, und dann endlich, wenn ich sie getroffen und laut verkündet habe, kommt irgendjemand und sagt mir, dass es doch anders ist (z.B. Spielerzahl, Uniform, Spielerauswahl…) Somit ist meine Entscheidung nichtig und man verliert ein wenig das Gesicht.

Aber irgendwie kommen doch Freundschaftsspiele zustande die wir Großteils gewinnen, ich bin stolz und glücklich!
Aber der Unterschied in den Niveaus der Schulen ist extrem, daher ist das Turnier irgendwie nicht soo spannend, es gibt nur ein paar interessante Aufeinandertreffen.

Einweihungsfeier der Plurinationalen Spiele. Es gibt etwa 700 Sportler insgesamt. 


Wirklich viele Sportler machen mit

Als Sportarten gibt es Athletik, mit Springen, Laufen, Werfen etc. Dann die Teamsportarten Basketball, Fußball, Hallenfußball und Volleyball. Und ein paar andere Dinge wie Schwimmen, Fahrradfahren und Schach.
Gewinnt man in der Provinz, spielt man im Bundesland gegen die anderen Provinzen, von da geht es zu den nationalen Spielen und dann theoretisch noch weiter...
Wer national gewinnt bekommt ein Stipendium fürs Studium, das ist ein Anreiz für einige (gute) Sportler!



Unsere Schule! Ich bin irgendwo ganz hinten.

Mittwoch, 09.05:

Wir stehen früh auf und treffen und um 7 Uhr im Colisseo um die ersten Spiele vor dem Unserem zu sehen.
Es gibt 8 Teams in zwei Gruppen, je zwei Teams kommen weiter ins Semifinale, die Gewinner dort ins Finale.
Wir spielen zuerst gegen ein Team das wir schon früher besiegt haben, daher ist die Stimmung gut.
Vor uns spielt eine Schule, Monseñor Rosenhammer (benannt nach einem Priester). Dieses Team ist eine Augenweide. Sehr professionell, sein vielen Jahren trainieren sie das ganze Jahr, mit einem guten Trainer und toller Disziplin. Kaum Fehler und fast nur Angriffsschläge.

Aber ich bin auch stolz auf uns, wir haben etwa 9 Wochen jeden Tag 1-2 Stunden trainiert, auch samstags.
Zeitlich hart für die Mädchen, weil sie erst um 7 nach Hause gehen können und dann noch Aufgaben machen müssen.

Wir gewinnen unser erstes Spiel im Turnier und sind sehr glücklich.
Die Stimmung im Spiel variiert aber ziemlich. Je nachdem ob wir gerade gewinnen oder verlieren kann die Konzentration und Motivation ziemlich den Bach hinuntergehen.
Ich stehe cool am Rand und schreie immer wieder was sie machen sollen. Hört aber eh keiner.
Ich habe noch nie einen so lauten Sport gesehen wie Volleyball in Bolivien.
Abgesehen von den grölenden Fans und den Schulbands gibt es noch die Spielerinnen an sich, die brüllen wie verrückt. Um die Gegner zu verunsichern und abzulenken. Gerufen werden Dinge wie „No pasa!“ (kommt nicht rüber), „no reciben“ (ihr könnt nicht annehmen), „Esta nerviosa“ (sie ist nervös). Das ist aber auch wichtig um das eigene Team in die richtige Stimmung zu schreien.

Auf dem Weg heim von einem Freundschaftsspiel, in Uniform!

Donnerstag, 10.05

Das zweite Spiel haben wir mit dem Colegio Austria (schöner Name!).
Wir gewinnen erneut und alle haben Freude, solange man gewinnt! Sobald das Team einen Punkt kassiert ziehen sie eine Schnute. Diese Entspanntheit kommt vermutlich mit Erfahrung, aber die haben wir halt nicht.
Wir schauen noch unseren Damen beim Hallenfußball zu, fast die ganze Schule ist da und beansprucht ein Viertel der Sitzplätze. Es wird gegrölt und geschrien, angefeuert und mit dem Schulbanner gewedelt.
Ich war noch nie Fan einer Sportmannschaft, also war auch das ein erstes Mal für mich. Und es ist ein schönes Gefühl zugehörig zu sein!
Auch toll finde ich die ganzen Bands der Schulen die Stimmung machen.

Freitag, 11.05


Das letzte reguläre Spiel vor dem Semifinale. Mit zwei Siegen sind wir aber sicher weiter.
Vor uns spielt die früher erwähnte Monse
ñor Rosenhammer gegen ein Team aus einer Comunidad (ein kleines Dorf, viele unserer Schüler kommen aus solchen). Letzteres ist ziemlich schwach, in beidem Motivation und Können. Auch verständlich gegen eine Mannschaft wie diese.
Sie gewinnen die erste Hälfte 25:0. Eigentlich fast nur durch Aufschläge.
Es ist ein bisschen traurig anzusehen und das Team tut mir leid.
In der zweiten Hälfte nimmt eines der Mädchen den scharfen Aufschlag mit ihrem Gesicht an und fällt fast aus, aber es gibt keine Ersatzspieler, also muss es weitergehen. Alles steht plötzlich still und keiner rührt sich. Man sieht es auch dem anderen Team an, dass ihnen die Situation unangenehm ist.
Von nun an spielt die Monseñor nur noch von unten, lauter geschenkte Bälle. Sie gewinnen trotzdem 25:4.
Lustig anzusehen sind aber die tollpatschigen Aufschläge von unten statt dem gewohnten oben. Wahrscheinlich ist es lange her, dass sie nicht 100% gegeben und den Feind zerstört haben.

Ich habe eine kleine Erleuchtung in Sachen Gewinnen und Verlieren.
Es fühlt sich sehr verschieden an zu gewinnen, weil man so gut gespielt hat, dass das andere Team geschlagen wird oder weil sie so viele Fehler machen, die einem angerechnet werden und man eigentlich keinen wirklich befriedigenden Punkt macht.
Ich würde gerne einmal so spielen, dass nur schöne Punkte gezählt werden.

Das Spiel nach der dramatischen Niederlage wird spontan abgesagt, weil der Trainer mit den Ausweisen nicht da ist. Das heißt wir sind dran.
Nicht umgezogen, nicht aufgewärmt, nicht bereit.
Etwas verspätet beginnen wir. Der Gegner ist Don Bosco, gegen sie haben wir früher schon einmal verloren. Sie spielen auf einem ähnlichen Niveau wie wir, ein bisschen besser. Also gewinnen ist möglich!
Wir beginnen gut, doch dann sind wir am Verlieren und die Stimmung kippt und es geht nur noch bergab. Die Zweite Hälfte ist noch schlechter.  Das Selbstvertrauen ist weg und sie sind nur noch böse auf einander und sich selbst.
Die Mädchen sind traurig und frustriert.
Ich bin aber nicht zu unglücklich, eine solche Niederlage ist hinnehmbar. Wir haben gut gekämpft. Und als Trainer sollte man ein bisschen das Rückgrat des Teams sein und sie motivieren.
Wir sind trotzdem weiter im Semifinale. Aber wann oder mit wem wissen wir erst um 9 am Abend, wenn die Sportlehrer ihr Treffen hatten. Manche Mädchen haben kein Handy, ich hoffe sie kommen morgen alle pünktlich.

Wir schauen noch die Männer im Volleyball an.
Das sieht ganz anders aus. Viel mehr Kraft, sowohl im Springen als auch im Schlagen. Die Schläge brettern wirklich beeindruckend durch die Gegend. Was mir am Damen-Volleyball aber besser gefällt ist das Feingefühl. Bei den Jungs geht jeder Ball, auch im eigenen Feld immer 5m in die Höhe und wird dann wieder runtergebrettert.

Samstag, 12.10


Nun stellt sich heraus unser Gegner ist die Monseñor, unser Traumgegner. Nun weiß ich schon, dass wir verlieren werden, die Frage ist nur noch wie. Und am liebsten mit einem Lächeln auf dem Gesicht und Freude.
Die Stimmung ist wesentlich lockerer als gestern.
Nur eine Spielerin kommt nicht, um sich die Scham des Verlierens zu ersparen. Ich kann mir nur an den Kopf fassen und die Unsportlichkeit dieses Mädels bewundern. Ich gebe ihr eine kleine Standpauke, den das macht man wirklich nicht. Ach Pubertät...


Ein Spiel im Colisseo
Er läuft wie ich es mir gewünscht habe, die Mädchen lächeln und geben einfach ihr Bestes. Die erste Hälfte verlieren wir, aber die Zweite beginnen wir gewinnend, nun habe ich noch nie gesehen, dass diese Mannschaft punktemässig hinten war, das macht mich nur noch stolzer.

Sonntag, 13.10

Wir spielen noch ein letztes Mal um 3. & 4. Platz. Wieder mit der Don Bosco. Vielleicht gewinnen wir diesmal!
Leider ist die Motivation nicht mehr sehr groß und so spielen die Mädchen auch.
Trotzdem spielen wir nicht schlecht, ich bin stolz auf das was wir erreicht haben und auch froh, dass es endlich vorbei ist. Die letzten Monate waren schon recht voll.

Glücklicher Trainer und glückliche Mannschaft

Das Damen-Hallenfußball-Team ist erfolgreicher und im Halbfinale.
Die ganze Schule ist wieder anwesend und feuert an. Wir sind die einzige Schule die ich bisher so begeistert gesehen habe.
Wir gewinnen! Montag wird das Finale sein.
Es gibt auch etwa 10 Sprüche der Schule die immer brav gerufen werden. Teilweise mit Vor und Nachrufern. Man wird recht heiser!


Die Fanmeile der Lotte Salzgeber!

Hier eine kleine Selektion:

Lotte – klatsch klatsch klatsch – Lotte – klatsch klatsch klatsch
(Unsere Schule heißt Lotte Salzgeber, nach einer der ersten Österreicherinnen hier)
Si se puede
(Ja, man kann!)
No pasa nada
(Noch nichts passiert! Nichts passiert!)
Uno dos tres, la Lotte otra vez, tres dos uno, la Lotte o ninguno, cuatro cinco seis, la Lotte es el rey, siete ocho nueve, la Lotte si se mueve.
(Eins zwei drei, die Lotte nocheinmal. Drei zwei eins, die Lotte oder niemand. Vier fünf sechs, die Lotte ist der König. Sieben, acht neun, die Lotte bewegt sich!)
Una bombita para ____, Bomba ____
(Eine Bombe für____ (beliebige Person einfügen). Alle: Bomba ____.
Ganamos, perdimos, igual nos divertimos
(Ob wir gewinnen oder verlieren, wir werden Spass haben!)
Rumbo que? Rumbo a los cincuenta años
(Wirbel was? Wirbel für die 50 Jahre!)

Nach fünf harten Tagen ist es jetzt für uns vorbei, und der Alltag kann wieder einsetzen.
Oder?
Nicht ganz... Denn die nächste Woche sind die Feierlichkeiten für das 50 jährige Jubiläum unserer Schule, und das bedeutet viel Arbeit, viele Aktivitäten und viel Feiern.

Sonntags gibt es noch ein bolivianisches Mittagessen bei uns.
Es sind hier: wir beide, die zwei Franzosen, die zwei Deutschen und eine Bolivianische Familie, die hauptsächlich das Kochen übernimmt.
Es gibt Sopa de Maní (Erdnusssuppe) mit Pommes und Huhn darin. Ja, Pommes in der Suppe! Schmeckt gut! Dazu gibt es Yuca zum Dippen.

Eine Vegetarierin sagt „Für mich bitte ohne Fleisch“, und die Bolivianerin antwortet ganz bolivianisch: „Aber es ist doch kein Fleisch, nur Huhn!“.
Und glaub mir, das ist nicht das erste Mal, dass ich das in Bolivien höre.
Danach gibt es Fisch (mit zwei Reihen Zähnen), mit Reis und Salat.


Mhhh ich hab dich zum Fressen gern! (Sagt der Fisch)

Als Nachspeise gibt es von den Franzosen noch Profiterol. Mhhh lecker!
Danach wird ein bisschen gequatscht, das Thema der Lama Föten kommt auf. Wer sich erinnert, bei meiner Reise in La Paz habe ich Lama Föten am Markt gesehen. Diese werden verbrannt bevor ein Haus gebaut wird um es zu segnen und Glück und Reichtum für die Familie zu erbeten.
Das erzählt der Mann der Familie, dann sagt er ganz ernst: „Pero no es concreto“ (Es ist aber nicht erwiesen) und wir müssen alle lachen ob der Ernsthaftigkeit mit der er es sagt.

50 Jahre Feier

Nun kommt eine Woche der Feierlichkeiten zu Ehren des 50-jährigen Jubiläums der Schule.
Das bedeutet viele Aktivitäten, viel Arbeit für alle Lehrer, viele Geschenke und viele schöne Erfahrungen.
Die erste Neuanschaffung ist ein Audiosystem in bolivianischen Ausmaßen. Nie hätte ich vorgeschlagen so etwas zu kaufen. Es besteht aus zwei Sets von Bass-Box und einem Lautsprecher drauf, dazu ein Mischpult und neue Mikrofone.
Die Verkabelung ist für mich noch immer gewöhnungsbedürftig, die Kabel der Boxen werden mit dem anderen Kabel einfach jedes Mal zusammengezwirbelt und hängen fröhlich in der Luft herum. Traum aller Tontechniker.


Traum aller Tontechniker


Nun können wir bei allen Events ohrenbetäubende Musik hören. Juhuu!


Unser neues Boxen-System


Man wird immer in irgendwelche Kommissionen eingeteilt, die irgendwelche Sachen organisieren müssen. Mir ist es lieber jemand sagt mir „Bau die Boxen auf“ oder „back einen Kuchen“ und nicht „Überleg dir wie man eine Talentnacht gestalten könnte und organisier dann alles was man braucht“.

Was ich auf jeden Fall zu tun habe ist:
Bei allen Events den Sound auf-/abbauen und Tontechniker sein, einen Film über die 50 Jahre schneiden, eine Rede über das Volontariat halten, tausend Zertifikate und Zeugnisse für alles Mögliche designen und drucken, ebenso Einladungen und Kuverts, …
Es gibt ein neues T-Shirt für die 50 Jahre (mal wieder). Die Lehrer kriegen auch eine neue Gala-Uniform.
Ein neues Tor wird uns aus Österreich spendiert! Sehr schick.



Das neue Tor (inklusive Name der Schule)


Nun wieder Auszüge aus meinem Tagebuch:

Montag, 14.10

Montag. Tag der Farandula. Erster Tag der 50 Jahre Feier. Und Halbfinale Damen Futsal.

Erste Frage: Was ist eine Farandula?
Das ist quasi Fasching, nur nicht zu Fasching. Alle verkleiden sich und tanzen dann begleitet von der Militärkapelle durch das ganze Dorf.
Ich bin stellvertretender Klassenvorstand der Pre-Promocion (ja, die Vor-Abschluss-Klasse hat auch einen Namen!) und meine Klasse geht verkleidet als Suicide Squad (also der Joker und Harley Quinn).


Ich bin Klassenvorstand der Pre-Promo

Zu jedem Event kommen Fotografen die sofort ausdrucken und verkaufen

Andere Klassen gehen als Ägypter, Clowns, Skelette, Schneewittchen und Zwerge, Rotkäppchen, …
Früh morgens wird geschminkt und verkleidet und dann gibt es den seltsamsten Acto Civico den ich je erlebt habe.
Man stelle sich vor Rotkäppchen die ein Gedicht über Familien vorträgt, dann ein Zwerg der ein Lied singt, alle die zusammen die Hymne singen, und das alles ganz ernst.



Seltsamer Acto Civico


Auch die Lehrer sind verkleidet


Der Plan ist nun wie folgt: Mit der Militärkapelle marschieren wir tanzend bis zum Hauptplatz und eine Runde um ihn herum, dann geht es zum Colisseo wo wir die Mädchen beim Fußball anfeuern, natürlich verkleidet. Danach wird in der Schule noch weiter gefeiert.

Los geht’s! Die ganze Klasse hält sich an Händen und läuft als Schlange durch die Menge, tanzt in Kreisen und so weiter. Es ist heiß, wir sind alle dick verkleidet und stark geschminkt, ich habe Durst. Aber es macht wahnsinnig Spaß und alle haben eine Riesengaudi.
Schlussendlich enden wir am Colisseo, werden schief angeschaut als plötzlich 200 verkleidete Leute hereinstürmen, eine Seite für sich beanspruchen und beginnen zu grölen. Alles Grölen hilft aber nichts, wie verlieren leider, aber die Trauer ist nicht groß.
Später, zurück in der Schule, wird weiter getanzt. Ich tanze natürlich fleißig mit. In Österreich war ich ein großer Tanzmuffel, aber hier hat sich das geändert.

Dienstag, 15.05

„Dia en el colegio“ (Ein Tag in der Schule).

Das bedeutet ein Tag voller Spiele und noch mehr Tanzen. Die großen Boxen werden aufgebaut, alle setzen sich an den Rand des Sportplatzes und dann lasset die Spiele beginnen:


Ein Tag im Colegio

Es gibt Wettessen, Sackspringen, Schubkarrenrennen, Eierlauf, Allgemeinwissen Quiz. Bei letzterem habe ich die Ehre mehrgefüllte Luftballons über den Köpfen der Partizipanten aufzublasen und platzen zu lassen.


Quiz mit Mehl-Luftballons - ©Caspar Conradi

Dann spielen die Lehrer Fußball mit Besen. Es ist wirklich lustig und mindestens so laut wie im Colisseo. Wir gewinnen knapp und ich drehe mit meiner gewonnenen Chicha eine Ehrenrunde.


Hexer Valentin beim Besen-Fußball - ©Caspar Conradi

Danach gibt es das „Carcel del Amor“ (Liebesgefängnis) in das man für 1 Boliviano jemanden hineinschicken und auch befreien kann. Ich werde sofort hineingesteckt und gleich wieder befreit (wer meine geheime Liebe ist weiß ich aber nicht…)
Daneben gibt es noch eine „Venta de Besos“ (Kussstand) wo man im Dunkeln „geküsst“ wird (ergo Lippenstiftabdrücke bekommt. Natürlich wäre echtes Küssen nie erlaubt!)
Dann wird gegessen und weitergetanzt bis zum Mittag.
Am Nachmittag geht das Tanzen aber erst richtig los. Die ganze Schule zwängt sich in den kleinen Event-Salon in dem Saunagefühle aufkommen. Die Nebelmaschine fand ich da einen Schritt zu viel.
Drei Stunden wird getanzt und geschwitzt.


Disco im Salon

Einmal ist meine Tanzpartnerin ein Mädchen aus der ersten Klasse, also etwa 11 Jahre alt. Nun Bolivianer sind generell klein, aber sie ist besonders klein. Sie geht mir bis zum Brustbein, da ist ein Paartanz noch einmal eine andere Geschichte.

Mittwoch, 16.05

Konferenz

Heute gibt eine Vortragsreihe von Angestellten aus allen Bereichen der Schule. Über das Internat, die Geschichte der Schule, die Vision der Bildung hier, und ich habe die Ehre über das Volontariat zu erzählen.
Das Publikum sind heute Schüler anderer Schulen.
Ich habe wieder mal eine Gaudi und das Publikum auch, mein Vortrag kommt gut an.
nachmittags ist theoretisch normal Schule, aber es passiert nicht viel.



Ich halte meinen Vortrag über das Volontariat

Donnerstag, 17.05

Konferenz

Es gibt Besuch aus Österreich. Die Chefin und die Zuständige für Südamerika des Werks der Frohbotschaft (die Organisation die das Projekt vor 50 Jahren gestartet hat und immer noch unterstützt, mit Personal und finanziell).

Am Abend gibt es wieder dieselbe Vortragsreihe, diesmal für anderes Publikum. Diesmal gibt es auch einige Interessierte die Fragen stellen und ich bin eigentlich traurig als mein Vortrag aus ist, ich hätte gerne noch weitergeredet.

Freitag, 18.05

Noche de Talentos (Talente Abend)

Für den Film den ich mache fehlen noch ein paar Audioaufnahmen. Also mache ich die mit einem der Lehrer und einem fragwürdigen Aufbau (der mir den Kopfhöhrereingang des Handys und Laptops schmort). Aber alle Aufnahmen klappen!
Gleichzeitig werden Zertifikate designt und gedruckt, Musik geschnitten, Lieder gesammelt, Film fertiggemacht. So viel war selten los in der Computación.

Am Abend ist es dann soweit: Noche de Talentos.
Mit großen Aufwand und viel Liebe wird hergerichtet, eine Bühne, die Deko bis zum Umfallen, das Soundsystem, …


Die aufwändig dekorierte Bühne

Es stehen über 30 acts auf der Liste, das ganze dauert insgesamt vier Stunden.
Ich bin der Tontechniker und freue mich extrem, weil ich schon weiß wie Bolivianer ticken und wie wenig sie von Vorbereitung halten. Zu Beginn des Abends habe ich vier Lieder auf dem Laptop. Der Rest kommt hoffentlich noch.
Mit Handys kommen während dem Abend ziemlich viele, manche auch mit anderen Dingen, siehe später.


Eine Band spielt "Phonomimico" (also tun so als würden sie spielen) ©Caspar Conradi

Meine Highlights:

Der erste Act ist ein Tanz mit Musik vom Handy (dessen Code ich mir schnell gemerkt habe, weil ich weiß, dass sie an sowas nicht denken). Während der Vorstellung ruft aber die Mutter an, das Handy natürlich nicht auf lautlos. Alle klatschen und denken das war's, während ich versuche die Mutter abzuwürgen und das Lied wiederherzustellen.

Ein anderer Schüler kommt her: „Ich bin in 2 Acts dran, hier ist meine Musik“ und drückt mir eine CD in die Hand. Wir haben nur nichts zum eine CD abspielen. Der Laptop hat zwar ein CD-Laufwerk, das will aber nicht, und mein Freund: Ich habe gerade andere Dinge zu tun als Informatik Probleme zu lösen. Schlussendlich singt er Acapella.

Caspar trägt ein Gedicht und ein Lied vor und gewinnt dafür den 1. Und 2. Platz.

Ich liebe die Sänger von hier. Die Mentalität ist so anders als bei uns, alles muss immer perfekt sein. Hier geht es mehr ums machen. Das singt man eben schräg, oder Acapella.
Aber manchmal übertreiben sie es, wenn sie ein schiefes Liedchen singen. 
Am Anfang ist es ok, ganz süß wie er sich anstrengt. 
2. Strophe, okay… 
3.,4.,5. Strophe… 
Du, langsam reicht es mit dem Fremdschämen, bitte aufhören, danke.

Ein Schüler kam am Vormittag zu mir: Ich brauche die Karaoke Version von dem Lied. Okay, kein Problem. Aber es ist irgendein unberühmtes Lied, davon gibt es keine Karaoke Version.
Aber Profe, eigentlich sind es eh nur die vier Akkorde aus dem Intro, kannst du die nicht einfach zusammenschneiden und dann das Gitarrensolo auch noch dazu und fertig?
Mhhh… Na fein, weil ich einen guten Tag habe.
Als er dann bei der Talentshow dran ist taucht er nicht auf.
Gegen Ende kommt er zu mir, ganz unschuldig: „Ich war schon dran oder?
Ja mein Freund, und danke für die grenzenlose Werkschätzung die du meiner Arbeit entgegenbringst.
Das ist ein wirklich gutes Beispiel dafür wie es hier oft in läuft. Wertschätzung und Dank sind rar.

Ein Ex-Schüler tritt mit einem Freund auf. Im Style „Cooler DJ und Rapper“. Sein Freund sing grausig schief und er rappt… nicht? Lässt einfach das Playback laufen. Will es aber nicht als „so tun als würde ich singen“, sondern ernsthaft verkaufen…

Einen Magier gibt es auch. Der ist irgendwo zwischen zerstreut und zu entspannt. Während er in seinem Plastiksack herumkramt um eine neue Requisite zu finden gibt er dem Publikum eine magische Rechenaufgabe (Multipliziere eine Zahl mit 5, ziehe 10 ab, dann dividiere durch 2…). Er lässt mehr oder weniger erstaunlich ein paar Dinge verschwinden und andere Auftauchen.

Ein Gitarrist spielt, der es wirklich draufhat.
Auch Gedichte werden (mit viel Handgefuchtel) vorgetragen.
Es gibt auch Theaterstücke, und manche davon sind wirklich exquisit, darin sind sie wirklich nicht schlecht!



Ein wirklich witziges Theaterstück ©Caspar Conradi


Am Ende werden Preise verteilt (Backhendl, T-Shirts, unsere coolen Zertifikate) und alle verdrücken sich.

Samstag, 19.05

Vigilia

Am Abend treffen sich alle bei der Kirche und gehen in eine eigene Messe nur für uns. Der Priester ist ein wenig witzig, er wirkt immer ein bisschen als würde er das was er sagt nicht ganz ernst nehmen.
Meine Hoffnung, dass Messen in Südamerika spannender sind als in Österreich hat sich leider bisher nicht erfüllt.


Laternenumzug zurück zur Schule ©Caspar Conradi

Danach marschieren alle zusammen zur Schule zurück. Jeder hat dabei eine gebastelte Laterne, an denen die Internate seit Wochen arbeiten. Ich trage das Megafon aus dem Gebete und Lieder schallen, die alle singen.
Das Gefühl ist wirklich schön! Wie so oft.


 - ©Caspar Conradi
In der Schule gibt es dann von den Klassen Präsentationen der sieben Gaben (Charismen) des Heiligen Geistes in Form kurzer Theaterstücke.
Dazwischen wird sehr begeistert gesungen, religiöse Lieder. Alle heben ihre Arme und singen.


Alle singen und klatschen mit! ©Caspar Conradi


Heute ist der erste wirklich kalte Tag, es wird hier ja langsam Winter. Alle frieren also an diesem Abend, auch wir, denn nach einem Jahr heiß ist man gegen Kälte wirklich nicht mehr gefeit.

Sonntag, 20.05

Messe, tanzbares Café mit Bingo


Es gibt noch eine Messe für Pfingsten und für uns (wir sind ja eine christliche Schule, mit Unterstützung eines religiösen Ordens), danach gibt es in der Schule ein Café für Ex-Promotionen mit Essen und Trinken, Tanz und Bingo.
Letzteres gewinnt zweimal nacheinander dieselbe Frau…


Beim Café werden selbstgemachte Snacks verkauft. Die Erlöse gehen an die höheren Klassen (z.B. für Maturareise) ©Caspar Conradi


Es wird wieder viel getanzt (ich tanze mit meinen Schülerinnen bei solchen Events, mit Lehrerinnen bei anderen Veranstaltungen).


Café Bailable (also tanzbares Café). Wie bei jedem Event wird fleißig das Tanzbein geschwungen ©Caspar Conradi


Dann gibt es noch einen riesen Haufen Geschenke an die Schule von früheren Abschlussklassen, aber praktische Dinge wie Küchenutensilien, Bügelbretter, ein Herd, neue Boxen, …

Montag, 21.05

Hauptakt

Nun dies ist ein beeindruckender Teil. Die Schule wurde zwar offiziell am Pfingsten eröffnet, aber heute am Montag ist die große Feier.
Von der Schule wird mit Militärkapelle bis zum Festsaal marschiert.


Auf dem Weg zum Festsaal. Alle in Uniform, vorne gehen die Flaggenträger (es gibt auch eine Österreichische!) ©Caspar Conradi



 Militärkapelle und einige Jungs der Abschlussklasse in ihrer Uniform ©Caspar Conradi



Als Schüler wird sogar stramm gesessen.

Wir mieten einen Festsaal der schön geschmückt wird. Es gibt einen eigenen Sprecher für Programm. Vier Tänze werden präsentiert und auch ein Lied gemeinsam mit den Gründerschülerinnen gesungen (die mittlerweile schon älter sind, aber sehr schön, dass einige gekommen sind!)



Die Gründerschülerinnen singen ein Lied ©Caspar Conradi


Einer der Tänze. 
Der geschmückte Festsaal mit Autoritäten ©Caspar Conradi

Viele Reden werden geschwungen, Dankesplaketten und Zertifikate (von denen Caspar einige designt hat) werden verteilt.
Insgesamt ist es ein sehr schöner Akt und ich bin froh, dass alles ohne Probleme über die Bühne gelaufen ist.



Die Lehrer der Schule posieren vor dem Logo

Zurück in der Schule wird nun mein Film über die 50 Jahre hergezeigt, der dauert fast eine halbe Stunde. Aber er wird interessiert aufgenommen und Fehler die mein perfektionistisches Auge stören machen sonst niemandem etwas aus.

Dann gibt es noch ein Buffet und damit sind wir offiziell am ENDE der Feierlichkeiten der 50 Jahre, endlich geht das normale Leben wieder los.

Naja fast, am Abend gibt es noch ein Lehreressen. Bolivianisches BBQ (Churrasco heißt es, der Grillmeister ist der Churrascero und das Restaurant eine Churrasquería. Ich liebe diese Wörter).
Wir kommen (ganz bolivianisch denken wir) eine Stunde zu spät. Es sind da: die Hausherrin und noch eine Person. Doch noch immer zu früh…



Mhhh Churrasco. Links oben nach rechts unten: Yuca, Salat, Hühnerflügel, Würstchen, Fleisch, Reis mit Käse, Blutwurst

Danach wird Bier getrunken und getanzt bis in die Morgenstunden.

Wir haben aber auch schon andere Lehreressen erlebt, wo niemand spricht, viele am Handy sind. Die "Hintergrundmusik" ist sowieso so laut, dass man sich nicht unterhalten kann. Gegessen wird dann auch in Stille. Getanzt wird nicht motiviert. Dann verdrückt man sich so früh es geht.

Dienstag, 22.05

Freiheit.

Endlich nichts zu tun. Ich entspanne, backe ein bisschen, schlafe gut aus und genieße die mittlerweile kühlen Temperaturen.
In nächster Zeit stehen aber noch einige Dinge an: Muttertag mit noch einem Churrasco, dann der Dia del Maestro (Tag des Lehrers). Da wird es sicher noch einige Feiern geben.

Over and out.



-Vielen lieben Dank an Caspar für die tollen Fotos!

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