9. Eintrag

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Santa Cruz II

Bolivien zählt seine residierenden Ausländer. Und nachdem in San Ignacio der Fingerscanner noch nicht eingetroffen ist, wie uns zwei entspannte Beamte erklären, und das noch ein paar Wochen dauern kann, müssen wir uns gezwungenermaßen wieder in die große Stadt begeben. Es gibt auch sonst noch ein paar Sachen zu erledigen, also kommt uns das nicht ganz ungelegen.
Die Reise beginnt am Samstag Abend am Busterminal. Ein interessanter Ort, denn ich finde dort trifft man ziemlich "bolivianische", auch oft alte, Bolivianer.
Ich möchte nicht behaupten die Leute in unserer Schule wären nicht bolivianisch, aber sie sind wirklich nicht sehr anders als bei uns. Sehr modern und aufgeschlossen, und natürlich an uns gewohnt. Aber wenn ich den Busbahnhof betrete überkommt mich ein ganz anderes Gefühl, tief in Bolivien drin zu stecken.

Der Bus ist dann wieder eine andere Welt. Wobei die Klimaanlage vermutlich schon bolivianisch ist, so wie nachts die Temperaturen schwanken.

Recht verschwitzt und durchgefroren kommen wir in Santa Cruz an. Das zweite Mal ist bei weitem nicht so aufregend, andererseits angenehm wenn man sich schon auskennt. Wir wollten eigentlich Busfahren, aber so früh fährt noch nichts. Also gönnen wir uns (das bei diesem Aufenthalt einzige) Taxi und fahren zu dem Häuschen, wo wir übernachten können - und übernachten gleich noch ein bisschen weiter. 

Der erste Tag ist ein Sonntag, daher ist nicht sehr viel los für uns. Nicht viel hat geöffnet, wobei Wochenenden hier wesentlich aktiver sind als in Österreich. Man findet fast immer etwas das offen hat. Viele Supermärkte, die Shopping-Mall, in San Ignacio auch Teile des Marktes.
Unser Programm besteht also aus Ausschlafen, und dann im Zentrum chillen.
Beim Lesen auf einer Bank spricht mich ein alter Herr an. Woher wir denn sind, wie lange wir bleiben, was wir so machen. Sehr unaufdringlich und angenehm.
Auf der Plaza sehe ich diesmal viel mehr Touristen oder Ausländer. Wir selbst sind recht auffällig, mit Kamera, großem Rucksack, Sonnenbrille. Ein bisschen unangenehm, manchmal würde ich lieber mehr untertauchen.
Es ist so windig wie letztes Mal, wenn nicht noch schlimmer. Ich mag den Wind, besonders bei großer Hitze muss er angenehm sein, aber er erschwert das Alltagsleben schon ziemlich.
Wir finden auch eine kleine Perle, ein hübscher und abgezäunter Park, mit Wasserfontänen und Tribünen. 



Auf denen sitzen viele Leute und lauschen dem Programm zweier Entertainer.
Die haben offensichtlich nicht viel Programm vorbereitet und schwanken zwischen tanzen und sich schlagen oder beleidigen.
Währenddessen weht der Wind böenweise die Wasserfontäne ins Publikum. Es wirkt sehr erfrischend!
Wir Ausländer sind natürlich ein gefundenes Fressen für die Künstler. Die allgemeine Aufmerksamkeit wandert zu uns während sie uns ausfragen.
Woher kommt ihr? Was macht ihr hier? Wie gefällt euch Bolivien? Wie findet ihr die Frauen? Habt ihr schon welche gefunden?
Das mit den Frauen fragen erstaunlich viele Männer. Anscheinend wird erwartet, dass wir uns ein paar Bolivianerinnen angeln.
Nach einer europäisch-reichen Spende ziehen wir weiter.

Wir finden noch einen Rohdiamanten, eine Bibliothek! Dort gibts als Geschenk auch eine Karte der Stadt, Postkarten, etc.



Wir besteigen den Turm der Kirche am Hauptplatz im Zentrum. Unglaublicherweise ist es noch windiger hier. Mit dem großen Rucksack muss man aufpassen, dass es einen nicht umbläst. Auch das Kapperl ist gefährdet. 

Ausblick von der Kirche


Der Blick ist nicht sonderlich imposant, die Kirche ist nicht sehr hoch. Außerdem ist das Land hier extrem flach. Nicht einmal am Horizont kann man Berge erkennen.
Am Platz sehen wir eine Fahrradgruppe, Caspar sieht ihnen neidisch beim Losfahren zu, denn er würde gern mehr Fahrradfahren.

Der nächste Programmpunkt ist wie letztes Mal die Ventura-Shoppingmall. Die ist aber recht weit weg, und wir wollen lieber Bus fahren als Taxi (Bus: 25cent, Taxi: 3-4€)
Doch die richtige Linie zu finden ist schwer. Es gibt wirklich viele und sie haben alle ihre Routen. Wichtige Punkte stehen auf der Windschutzscheibe notiert, aber das hilft oft wenig.
Also halten wir jeden Bus an und fragen ob sie zur Mall fahren. Manchmal schicken sie uns ein paar Straßen weiter, dort fahre der Bus. Der etwa 20. Bus ist ein Jackpot.





Wenn man etwas größeres transportieren will, macht man das hier auf die Bolivien-Variante.
Ein Pick-Up und zwei Freunde, die halten.

Transportsicherheit?


Wir kommen endlich zur Mall, wo wir etwas essen und uns vom Luxus und verschwenderischen Lebensstil erschlagen lassen.
Wir gehen in den Supermarkt um Grieß zu suchen (den gibt’s aber leider in Bolivien nicht). Dort bekommen ich ein Merkur-Gefühl. Es gibt geschnittenes und verpacktes Fleisch, Obst ohne Ende. Fast alles was sich das Herz wünscht!

Da läuft einem das Wasser im Mund zusammen


Am Abend gehen wieder ins Luxus-Kino. Das Popcorn und mein Getränk werden mir während dem Film von einem Kellner serviert.

Den Heimweg gehen wir zu Fuß. Ohne Google Maps würde ich es kaum schaffen. Auch in den Bussen muss man immer verfolgen wo man ist, ob man eh in die richtige Richtung fährt.
In einer Straße verfolgt uns ein Rudel bellender Hunde, wir haben beide ein bisschen Muffensausen, aber kommen davon. Das Ambiente in manchen kleinen Seitengassen ist schon ziemlich nett, aber insgesamt mag ich die Stadt noch immer nicht sehr.
Alles sieht gleich aus, es gibt kaum Kultur oder öffentliche Gebäude. Hübsch ist es um den zentralen Platz, aber der Rest ist nicht sonderlich ansehnlich.
Trotzdem ist es angenehm aus San Ignacio rauszukommen und etwas anderes zu sehen.

An diesem Tag bekomme ich meinen bisher ersten nennenswerten Sonnenbrand in Bolivien. Obwohl die Sonne stark runterbrennt spürt meine Haut sie weniger als in Österreich.

Montag, der 2. Oktober ist nun der Tag der Erledigungen.
Wir müssen zur Migracion, uns registrieren lassen. Vielleicht auch über das Visum erkundigen. Eine Nähmaschine für Daniela kaufen. Unsere Wahlkarten abschicken. Im Fahrradgeschäft Essenzielles kaufen.

Zuerst gehen wir frühstücken, im selben Café wie damals, das im 7. Bezirk stehen könnte. Es spielt die Vier Jahreszeiten von Vivaldi. Unsere Ohren schmelzen in dem bekannten Klang dahin. Einfach ein bisschen Abwechslung!

Café



Danach stürzen wir uns in die Bürokratie. Die ist aber schmerzloser als erwartet!
Vor der Migracion passt uns ein alter Mann ab und bietet seine Hilfe an.
„Zur Zählung? Einfach hineingehen und rechts ein Ticket lösen!“
Das ewig komplizierte Datenblatt haben wir zum Glück schon online ausgefüllt und ausgedruckt. Die Schlange geht langsam, aber mit unserem Tickets begeben wir uns dann zum Wartebereich. Als wir nach einer halben Stunde endlich drankommen, Caspar leidet ein bisschen unter Bauchschmerzen, geht alles ganz flott und wir haben den Zettel in der Hand.
Vor der Tür schnappt uns wieder der alte Herr und nimmt uns mit in einen Shop gegenüber. Typische Freunderlwirtschaft. Dort wird uns das Dokument als Ausweis foliert. Wir fragen ihn auch nach dem Visum. Er nimmt uns zum Nachbarshop mit, wo eine kundige Frau uns Auskunft gibt. Sie spricht Englisch, und der alte Herr will, dass wir Englisch sprechen. Zu ihr meint er „sie sprechen nicht so gut Spanisch“. Ich bin leicht gekränkt. Im Endeffekt sprechen wir aber eh Spanisch mit ihr. Es wir klarer: Das Visum wird wohl ein größerer und teurerer Brocken werden.

Die Wahlkarten wollen wir an der Post aufgeben. Theoretisch läuft das so ab.

 „Hallo, wir wollen das nach Österreich schicken. Da steht auf Spanisch: Alle Länder die Teil des Welt-Post-Vertrags sind müssen die Rücklieferung des Briefes veranlassen. Der Empfänger zahlt“
„Oh klar, kein Problem.“

Leider geht das natürlich nicht so.
Erst stellen wir uns bei der Schlange an, und fragen nach. Wir werden verwiesen auf den Herren im Kammerl. Der denkt ein bisschen nach, schickt uns aber zur Dame im 1. Stock. Die kennt zwar das Problem, weiß aber nichts über Wahlen in Österreich. Ihre Kollegin in La Paz aber! Die kommt am Nachmittag wieder, wir also gezwungenermaßen auch.
Ich fühle mich wie Asterix und Obelix mit Passierschein A38.
Am Nachmittag kommen wir wieder. Die Dame in La Paz geht aber nicht ans Telefon, doch eine andere weiß Bescheid. Oder nicht, denn keiner hat den Bescheid bekommen, dass es Wahlen in Österreich gibt uns. Damit wäre die Sache einfach, aber ohne den Bescheid können sie leider nichts machen.
Wir gehen traurig wieder nach draußen und denken nach. Der Brief würde 6€ kosten, und die rechtzeitige Ankunft ist fragwürdig.
Also entschließen wir der Frau noch einmal unsere Meinung zu sagen uns auf die Klauseln auf dem Brief hinzuweisen.
Das Büro hat aber in der Zwischenzeit geschlossen.
Also gehen wir den interessanten Weg. Es gibt schon einen Stempel einer voreiligen Beamten, dort kritzelt Caspar einen Preis und eine Unterschrift hin. Wir lassen die Briefe am Tresen liegen und machen uns eilig aus dem Staub. Wir werden wohl nie erfahren ob sie es geschafft haben…

Die Nähmaschine wird im Geschäft nebenan abgeholt, mit nur kleinen Schwierigkeiten. Nur wollen wir sie schnell loswerden, denn keiner möchte sie tragen.
Also wollen wir mit dem Bus zum Terminal, sie aufgeben und die Tickets holen.
Doch von wo fährt der Bus? Nach einigem Fußmarsch (von dem macht man hier wirklich zu Genüge) finden wir einen.



Vom Terminal geht’s wieder ins Zentrum, essen.
In dem Restaurant treffen wir zufällig unseren alten Freund von gestern, der mich auf der Plaza angesprochen hat. Er stellt sich vor als Viktor und uns Essen bestellen, mit dem Kommentar zur Kassiererin „Sie sprechen nicht so gut Spanisch“. Den Spruch kenne ich doch…

Er erzählt uns ein bisschen über andere Städte die wir besuchen sollen. Anscheinend hat Santa Cruz auch unter Bolivianern keinen sehr hübschen Ruf.

Ein herzhaftes Essen um 3€

In letzter Zeit sprechen mich häufiger Menschen an und fragen woher ich bin. Eigentlich immer nette Gespräche! Zum Beispiel der Motofahrer, der mich zum Terminal gebracht hat, ihm habe ich (auf Anfrage) eine längere Geschichte über mein Hiersein erzählt.

Nächster Programmpunkt ist das Fahrradgeschäft. Dieses ist in der Nähe der Mall, wir kennen also schon den richtigen Bus. Ich habe mittlerweile eine kleine Liste von Linien, wer wo fährt. Eine unschätzbare Hilfe!
Das Fahrradgeschäft zeigt wieder die Gespaltenheit.
Die Stadt ist teilweise arm, teilweise reich. Diese Welten koexistieren nebeneinander und man springt oft seltsam dazwischen herum.
Das Geschäft ist geschmackvoll, gut ausgestattet, hat 7 Mitarbeiter und 2 Kunden.
Caspar deckt sich ein mit allem was man so braucht.



Zurück auf der Plaza (einen anderen Ort zum Entspannen findet man eigentlich kaum) fragen uns einige Mädchen um Hilfe bei einer Umfrage. Ich beantworte Fragen zu Kindern mit Lernschwierigkeiten, Caspar über Plastikmüll. Es dauert ein bisschen, aber zum Schluss machen wir noch Fotos (für die Umfrage…?) mit den Mädchen. Etwas später kommt eine andere Gruppe, sie sammeln Spenden für irgendetwas… wir verstehen nicht alles. Zur Not kann man immer den unverständigen Touristen spielen.



Wieder einmal Schuhe putzen


Was mich überrascht hat, war die Anzahl englischsprechender Personen, spannenderweise besonders Alte! Uns sind einige über den Weg gelaufen.

Am Weg zurück zum Terminal treffen wir noch einmal zufällig Viktor, er sagt uns wo der Bus fährt, wir freuen uns natürlich über die Hilfe! So leicht ist es dann trotzdem nicht, aber ein paar Cuadros weiter finden wir den richtigen Bus.
Die Heimreise ist dank Klimaanlage im Bus wieder eiskalt, das Schlafen fällt schwer. Zuhause geht es quasi volée weiter in die Schule, ein etwas müder Tag.

Wir haben diesmal mitgerechnet was wir so aufgeben in den zwei Tagen. Insgesamt waren es ca 70€ pro Kopf, wobei man sagen muss, dass wir gratis übernachten können. Der Rest beläuft sich zu je einem Viertel auf Essen und Transport, die Hälfte war für Vergnügen und Einkäufe.

Die Wochenenden

Normalerweise haben wir das Wochenende frei, von Samstags-Vormittagsunterricht alle zwei Wochen abgesehen.
Aber da wir in Bolivien sind, dem Land der vielen Events, trifft diese Freiheit nur teilweise zu. Es gibt fast immer etwas, und unsere Schule ist meistens mit von der Partie, das inkludiert natürlich unsere Anwesenheit. Ganz undankbar bin ich aber nicht, zumindest ist dann etwas los und wir wissen eh oft nicht was wir machen sollen, die Möglichkeiten sind nicht grenzenlos.
Einige der Events waren die Folgenden:

Dia de la tradicion (Tag der Tradition)

Versammlung am Hauptplatz

Die Tradition wird zelebriert, indem sich die meisten Schulen (eigentlich sind die meisten Events hauptsächlich von den Schulen) am Hauptplatz versammeln, alle in traditioneller Kleidung und mit traditioneller Musik und Gegenständen. Dann wird herumgezogen und getanzt und marschiert. Danach gehen alle zum Festivalgelände außerhalb der Stadt und dort gibt es Essen und Musik, Dinge werden verkauft und alle genießen die Jahrmarktstimmung.
Die traditionelle Kleidung sind für die Männer weiße Dreiviertelhosen und ein weißes traditionelles Hemd, dazu einen Strohhut. Die Mädchen haben lange weiße Kleider mit Mustern und Stickereien an.
Insgesamt also sehr weiß, die Schuluniformen sind auch sehr weißlastig. Vermutlich der starken Sonne geschuldet, da diese Kleidung das Angenehmste ist.



Traditionelle Kleidung, unsere SchülerInnen

Ich kann es nicht oft genug erwähnen, da es wahrscheinlich eines der Dinge ist, die uns am seltsamsten und anstrengendsten vorkommen: Die Pünktlichkeit.
Man sagt oft, in Bolivien läuft alles "tranquilo", also ruhig. Eine Untertreibung.
Die Aufmärsche sollen um 9 Uhr beginnen, uns wird gesagt wir sollen um 8:45 da sein. Die Schüler müssen aber um 8 Uhr kommen, denn die Schulleitung weiß, dass alle zu spät kommen, das wird schon einkalkuliert. Um 9 sind dann die meisten auch anwesend. Aber losgehen tuts natürlich nicht. Also warten wir und plaudern, bewundern unseren eselgezogenen Wagen, geschmückt mit Pflanzen und traditionellen Gegenständen.

Der geschmückte Wagen
...eselgezogen

Gegen 10 Uhr beginnen sich die Dinge langsam zu bewegen. Wir marschieren, dann tanzen alle Hand in Hand in langen Schlangen. Es macht richtig Spaß und dem Publikum gefällt es auch. Leider sind es nur ca. 100 Meter die wir so zurücklegen. Dann kommt wieder eine Pause. Es hieß, die Schule geht zusammen zum Festivalgelände, also warten wir mit der Gruppe. Die zerstreut sich aber immer mehr und wir fragen uns langsam ob das noch etwas wird. Anscheinend sind alle einzeln aufgebrochen, man treffe sich dann dort. Caspar geht nach Hause für ein Nickerchen und ich nehme mir ein Moto und ziehe fröhlich winkend an all den zu Fuß gehenden Schülern vorbei.
An der Feria (so heißt das Gelände) angekommen sehe ich sofort den Verkaufsstand unserer Schule. Die einzige hier, die so handwerklich ausgerichtet sind. Die Erzeugnisse werden unter anderem hier verkauft. 

Unser Verkaufsstand

Es gibt auch "refrescos", also Erfrischungen. Das sind hier oft recht skurrile Getränke. Chicha ist sehr beliebt, ein Getränk aus Mais, leicht gegärt. Heute gibt es etwas weißliches mit schwimmendem Getreide darin. Ich bin nicht sonderlich überzeugt. Auch Essen gibt es, von unserer Schule. Mit einigen Schülerinnen gehe ich um mir den Bauch vollzuschlagen. Doch das Essen sagt mir auch nicht unglaublich zu. Es schmeckt schon sehr anders als mein feiner Gaumen es gewohnt ist.
Danach entspannen wir uns und quatschen mit den Schülern, kaufen ein paar Sachen und machen uns wieder auf den Heimweg.
Ich bekommen an diesem Tag meinen zweiten nennenswerten Sonnenbrand, in Form des V-Ausschnittes der Schuluniform.



Festival de Danzas (Tanzfestival)

Dieses Festival wird von unserer Schule veranstaltet, ein Umstand den der Kommentator während dem Festival (einer der Lehrer) gefühlte 100 Mal wiederholt. Mit vollem Namen sind wir die "Unidad Educativa Tecnica Humanistica Lotte Salzgeber" und der Name wird allzu gern erwähnt.
Bei dem Fest treten die verschiedenen Klassen auf und präsentieren traditionelle Tänze, aus den Departamentos von Bolivien und auch von den Nachbarländern.
Diese Tänze üben sie seit Monaten, zuerst vereinzelt, dann immer öfter und in den Wochen vor der Aufführung beinahe täglich. Das bedeutet viele Schulausfälle, leider nie zu unseren Zeiten. Es gibt auch drei Durchlaufsproben. Die dauern dann so drei Stunden, mit allen Tänzen und Kommentaren.

Wir sind zuständig, die Boxen für die Musik zur Verfügung zu stellen. Und die nutzen sie ganz bolivianisch natürlich aus bis zum Tinnitus.
Im Prinzip verstehe ich den Gedanken, laute Musik zum Tanzen.
Wenn nur die Box nicht so kaputt wäre... Und wenn nur die Qualität der Lieder besser wäre. Sie benutzen oft eine Live-Aufnahme von einem anderen Tanz mit dem selben Lied.

Caspar und ich sind eingeteilt für Licht und Ton, bei der Hauptprobe machen wir auch wirklich unsere Aufgabe. Ganz motiviert habe ich mir die Musik inklusive Reihenfolge auf einem USB-Stick geholt, schneide sie noch ein bisschen zurecht und mache eine Playlist um am großen Abend gut vorbereitet zu sein.
Nur dass dafür ein Boxen-Licht-Set inklusive DJs angemietet wurde. Also sind wir ziemlich überflüssig.

Interessant ist aber die Sicherheit, die gesamte Musikanlage inklusive Lightshow und Nebelmaschine hängt an einer Steckdose. Hoffen wir, dass niemand über das Kabel stolpert, der Stecker könnte sich lösen!
Safety first

Die Lichter wurden leider auch von anderen Kollegen entdeckt. Den ganzen Abend regnet es ihre Leichen.

Die Vorstellung ist sehenswert! Es sind insgesamt 15 Tänze, die meisten Kostüme sind in der Schulschneiderei selbst hergestellt worden und geben der ganzen Vorstellung das authentische Ambiente.






Festival de teatro (Theaterfestival)


Die Woche darauf organisiert unsere Schule das Theaterfestival, eine zehnjährige Tradition. Dort treten an 5 Abenden 10 Schulen auf, das Ganze hat die Form eines Wettbewerbs, das beste Stück gewinnt einen Preis.
Wir sind wieder eingeteilt für Licht und Ton, und auch als Bühnenarbeiter.
In Österreich war ich einige Jahre für genau das Selbe in unserer Schule zuständig, daher ist es umso interessanter zu sehen, wie die Dinge in Bolivien ablaufen.

Wie sich schnell herausstellt: anders.
Wir kommen ziemlich pünktlich und unvorbereitet zum "Haus der Kultur", dort treffen wir später die unpünktlichen und ebenfalls unvorbereiteten anderen Leute.
Unsere Schule spielt am ersten Abend, das heißt ich mache den Ton. Es gibt ein Mikro für die Ansprache, das hängt an einem mischpultähnlichen Verteiler, dort steckt man auch das Handy für die Lieder an. Mit unserem privaten Kabel. Die Musik muss von diversen Handys gesammelt oder noch heruntergeladen werden, ich bekommen mehr oder weniger Anweisungen, wann ich welches Lied abzuspielen habe. Bei der Aufführung sitze ich auf der Bühne, hinter dem Vorhang und versuche durch den zu erkennen, wo im Stück wir uns befinden. Mit ein bisschen Unterstützung klappen aber die Einsätze. Einmal muss ich spontan mit dem Mikro Mosquitgeräusche machen, da die Professorin gerade beschäftigt ist. Doch alles in allem gelingt es ganz anständig. 
Stolzer Bühnenarbeiter


Die folgenden Abende beschränkt sich unser Arbeitsbereich auf die Einweisung in die Technik, Bühnen Auf-/Um-/Abbau und das Öffnen und Schließen der Vorhänge. Dadurch sitzen wir immer in den Ecken, halb eingewickelt in Stoff und können so aus der Nähe das Spektakel genießen.

Vieles ist ziemlich wischi-waschi, in der Planung wie Ausführung, aber irgendwie ist es einfach egal. Dem Publikum ist es egal, auch die Schauspieler sind recht locker.

Wir mit unserer perfektionistischen Einstellung sind da manchmal auf dem falschen Pferd unterwegs.

Auch die Zuverlässigkeit lässt sich an einem Beispiel ganz gut beschreiben. In der folgenden Woche habe ich an einem Tag drei Veranstaltungen. Um 7:15 Roboter bauen mit Schülern, um 8 Uhr Gespräch mit der Psychologin und am Abend Lehrertreffen wegen einer Veranstaltung.
Die Schüler tauchen nicht auf. Bei der Psychologin warte ich 45 Minuten, bis mir jemand mitteilt, dass sie krank ist. Die Lehrer kommen auch alle nicht, also wird auch das vertagt.
Um Caspar aus einem der ersten Blogeinträge zu zitieren: "Muss da wurscht sein."

Ich rechne mittlerweile schon damit und es bringt mich eigentlich kaum mehr aus der Bahn.


Sport

Das Sportturnier dauert an, insgesamt sind es jetzt 8 Wochen.
Am letzten regulären Tag vor den Semifinalen spielt mein Team fünf Spiele. Zwei Runden Basketball, zwei Runden Fußball und eine Volleyball, zu je ca. 40 Minuten.
Am Ende des Tages bin ich ziemlich geschafft. Qualifiziert haben wir uns nur in Volleyball, wo wir in der folgenden Woche die Erste Klasse besiegen, das bedeutet wir stehen im Finale.
Wenn auch langwierig, ist diese Veranstaltung ein Highlight für mich. Ein so großes Turnier, von Schülern auf die Beine gestellt, mit Essensverkauf und einem großen anfeuernden Publikum, außerdem die entspannte Stimmung zwischen Lehrern und Schülern, die auch gegeneinander spielen, das ist einfach schön zu erleben.





Am Finaltag werden die Preise vorbereitet. Es sind etwa 50 Hühner, gebacken und dekoriert. Die werden an die gewinnenden Teams verteilt.
Beim Finale gewinnt mein Team den 1. Platz in Volleyball, das beschert uns vier Hühner und ein leckeres Abendessen!
Die Preise

Spaziergänge

Nach drei Monaten schaffe ich es endlich ein bisschen aus der Stadt zu kommen. Aufgrund mehrerer Faktoren (wie Sonne, Zeit, Motivation) stehen Caspar und ich eines Tages um 5 Uhr auf, er geht um den See Fahrradfahren, und dann pünktlich in die Schule. Ich habe meinen freien Vormittag und gehe zu Fuß um den halben See. Dort steht nämlich eine weiße Christo-Statue á la Rio de Janeiro, nur im Kleinformat.
In der Früh ist es trotz Sonnenaufgang um 5:30 noch schön kühl, ich genieße die Möglichkeit wieder einmal mit Kopfhörern ungestört Musik hören zu können.
Um diese Zeit ist es noch ausgestorben, die Straße leer, der Ausblick hübsch.
Nach längeren Sandstraßen im offenen Gelände geht es in den Wald, dort herrscht tatsächlich derselbe Geruch wie im Tropenhaus in jedem Zoo.

Typische Straße


Hier riecht es nach Urwald
Ich sehe einen gigantischen Kaktusbaum.



Beim Christo angekommen genieße ich den kühlenden Wind und den Ausblick auf die Stadt (man sieht eigentlich nur den Kirchturm) und den See. Denn obwohl der quasi hinter unserem Haus liegt sehe ich nicht sehr viel Wasser seit ich hier bin.






Schöne Aussicht über den See
Bolivien in einem Bild? Bierdosen hinter Christo
Eine Woche später gehe ich denselben Weg, nur bei einer Kreuzung weiter geradeaus, dort geht es nämlich zur zweiten großen Attraktion von San Ignacio: die Höhle.
Auch dort ist zu früher Stunde wenig los, ich komme an einer ausgestorbenen Schrebergarten-Anlage vorbei, wobei das Ambiente weit von gemütlich ist. Die meisten Häuschen sind kaum ihres Namens würdig oder noch in Konstruktion.
Die Höhle wurde früher benutzt, um Kalk für Kreiden und Ähnliches abzubauen.
Jetzt ist sie nicht sonderlich imposant, ein Raum, 10 Meter im Durchmesser.
Doch man nimmt was man kriegen kann!



Bei beiden Spaziergängen war es bewölkt und kurz nach den Nachhause kommen gibt es ein Unwetter. Erste Vorgeschmäcker auf die Regenzeit. Wenn es hier regnet, dann nämlich wirklich. Ich habe kaum in meinem Leben so heftigen Regen gesehen, wie diese paar Mal hier.


Die Straße wird ein Fluß, der Sand weggewaschen, dadurch sind Teile nur schwer befahrbar

Ein Flüsschen


Sonstiges

Ciao Palme!

Vor der Computación gab es eine Palme mit Kokosnüssen und einen Baum. Doch beide wurden umgeschnitten, die Palme wegen der Gefahr herunterfallender Kokosnüsse und der Baum, weil eine Insektenfamilie ihn ausgehöhlt hat.


Die Tierwelt ist immer noch erstaunlich! Bei uns gibt es einige große Kröten, auch der Frosch wohnt zeitweise noch im Klo wie ganz am Anfang. Nachtfalter so groß wie Fledermäuse und Schmetterlinge in prächtigen Farben.
Bald beginnt die Glühwürmchen-Saison, auf die freue ich mich schon. Vereinzelt sieht man sie jetzt schon. Hell leuchtende Augen (ja, die Augen leuchten), ca. 4cm lange und glücklich herumschwirrend.
Leider gibt es auch störende Zeitgenossen. Verschiedene Zikadenarten haben gerade auch Saison, der Lärm ist neben Bäumen wirklich ohrenbetäubend. Manche machen auch sehr seltsame Geräusche, ein sich aufbauendes Zirpen, dass in einem Rasseln endet.

Glücklicherweise sind sie tagaktiv, das heißt nachts ist Ruhe.


Gut getarnte Kröte

Ein Mini-Gecko

Jean Baptiste und ein Schmetterling

Fast jeden Samstagabend bekommen wir Besuch, sein es andere Voluntäre oder auch Bolivianer. Dann spielen wir meistens, frühere Voluntäre haben netterweise die Siedler von Catan und Carcasonne dagelassen. Es ist immer sehr nett, und eine der wenigen sozialen Interaktionen, die wir außerhalb der Schule haben, und daher sehr wertvoll.


Ein Schüler interessiert sich fürs Klavierspielen, ich habe angeboten ab und zu mit ihm zu üben. Doch spontan Klavier beizubringen stößt mich ziemlich an meine Grenzen. Ich versuche es mit ein bisschen Musiktheorie, einer Erklärung wie ich Lieder lerne und dann ein bisschen zusammen Spielen.
Notenlesen ist natürlich ein ziemliches No-Go, obwohl ich es ihm ein bisschen zeige.
Hier verwenden sie aber nicht unsere Namen wie C,D,E für die Noten, sondern Do, Re, Mi. Die Notenblätter sehen dementsprechend lustig aus, einfach eine Seite voller Silben.
Doch ich lade ihm ein Tutorial herunter, mit dem kann er dann selbstständig üben.



Die Abschlussklasse feiert schon ihre "Promoción" vor, dazu kommen sie herausgeputzt und pünktlich, der "Padrino" kommt eine halbe Stunde zu spät. Er ist eine wichtige Person für die Klasse, ein bisschen wie ein Vater, und jede Abschlussklasse hat ein paar davon mit verschiedenen Aufgaben.
Es gibt eine kleine Zeremonie mit Ansprachen und Tänzen, danach ein Buffet und Tanz.
Tänzerinnen vor der Promoción
Die Abschlussklasse

Fahrrad


Caspar hat sein Fahrrad aus Österreich mit dem Flugzeug mitgenommen und benutzt es immer, sehr praktisch zum Einkaufen und um herumzukommen wenn man sich nicht immer ein Moto leisten will.
Ich, Untersatzlos und geizig, gehe gezwungenermaßen so viel wie noch nie zu Fuß. Eine heiße Qual in der Mittagshitze.
Jetzt habe ich beschlossen es reicht, ich will auch ein Rad.
So leicht ist das aber nicht, denn ich will nicht die 120€ für ein neues Fahrrad ausgeben, aber gebrauchte in meiner Größe sind schwer aufzutreiben.
Ich gehe also in die Stadt und frage ein paar wildfremde Leute, die schicken mich immer wieder zum selben Geschäft, in dem gibt es aber nur neue. Jemand verweist mich dann auf die Bicicletería, doch dort wird nur repariert, nicht verkauft.
Der Besitzer kennt nach längerem Nachdenken aber einen Mann, der Fahrräder haben könnte. Mit einer Wegbeschreibung und dem letzten Bisschen Hoffnung machen wir uns auf den Weg.
Wir finden die Werkstatt und ich bin beeindruckt. Der ganze Garten, mit einigen Bäumen und sonst sandigem Boden ist voller halb zerlegter Motorräder und Fahrräder, überall liegen Teile und Werkzeug herum. Es gibt eine geschäftige, drei Generationen übergreifende Familie, die den Laden schmeißt.



Der Chef am schrauben. Im Hintergrund mein zerlegtes Fahrrad in rot-silber


Der Opa, Chefmechaniker und Besitzer liegt barfuß auf einem alten Handtuch unter einem Moto und schraubt. Seine Frau sieht zu und ruft bei unserer Ankunft gemeinsam mit ihrem Mann lautstark nach ihren Söhnen. Die zeigen uns dann das einzige verfügbare Fahrrad, ein alter Drahtesel: rostig, ohne Sattel, nur ein Gang, kaputte Bremsen, keine Luft in den Reifen.
Natürlich kaufe ich das Ding, bis in zwei Tagen werden sie alles herrichten.
Die Söhne beginnen auf Zurufen des Vaters sogleich supermotiviert mit der Arbeit, Zerlegen und Säubern. "Sollen wir das auch ersetzen?"
"Aber natürlich" sagt der Vater. "Alles muss funktionieren."
Ein bisschen habe ich das Gefühl mir wird eine Show geliefert.
Ein Sohnemann stellt mir die Rechnung aus, damit ich mein Fahrrad dann auch wirklich bekomme. 50€ kostet es mich insgesamt.
Als wir wiederkommen ist das Fahrrad tatsächlich blitzeblank und fahrtüchtig. Sie können doch zuverlässig sein. Faith restored!
Die Bremsen machen ihrem Namen nicht wirklich alle Ehre, und es ist immer noch ein bisschen klein, aber es fährt.
Eine Woche später unternehme ich meine erste größere Ausfahrt, wieder zur Christusstatue.  Tags zuvor hat es geregnet, dementsprechend ist die Qualität der Straßen. Viele Schlaglöcher, dazwischen Schlamm bis Treibsand, und ich ohne Kotflügel.
Die Bremsen sollte ich wirklich reparieren lassen, es ist manchmal etwas unangenehm. Auch der eine Gang ist fürs Bergauffahren nicht die beste Option. Also muss ich umso härter treten. Leider verbiegt sich dabei eine Kurbel, die Qualität der Teile ist eben nicht besonders hier.
Trotzdem bin ich froh, jetzt einen fahrbaren Untersatz zu besitzen.
Mein neuer Freund!

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