8. Eintrag

Nach längerer Funkstille kommt jetzt ein rechter Brocken, von allem was in der Zwischenzeit passiert ist.

Gleich zu Beginn ein paar (gar nicht gestellte) Fotos aus dem Unterricht:



 
Ich bin wieder krank geworden. Zum Glück erst das zweite Mal, ich hatte es irgendwie schlimmer erwartet.
Notgedrungen verbringe ich den Freitag im Bett um mich zu kurieren. Währenddessen hält Caspar allein seine ersten Stunden. Es ist momentan Prüfungswoche bei uns, das dritte Bimester (also Quartal) geht zu Ende.
Am Samstag ist der zweite von sechs Teilen des Sport-Wettbewerbs. Ich bin leider noch nicht fit genug, aber gehe als Zuschauer hin.
Ein bisschen anstrengend ist aber, jedem auf Neue zu erklären, warum ich nicht mitspiele und warum ich diese Schiene auf meinem Finger habe (eine Verletzung von letztem Samstag).
Außerdem geben die Leute hier sehr gerne sehr viele Ratschläge. Sei es im Sport wo ich stehen, wen ich decken soll, oder sonst was ich besser machen soll, und gesundheitlich werfen sie einem gefühlsmäßig die Medikamente an den Kopf. Ich bin eher für das natürliche auskurieren, ich weiß wie sich mein Körper bei Krankheiten verhält, aber danke für die Tipps.

Mein Team verliert leider zweimal im Fußball. Mal sehen ob ich nächste Woche etwas daran ändern kann.
Am Ende des Tages ist noch der Minimarathon, für den ich eigentlich ein bisschen trainiert habe, daher finde ich es schade, ausfallen zu müssen.

Zum Sonnenuntergang verfärbt sich die Sonne unglaublich rot. Der Rauch vom Land, so erklären es mir die Leute, vermutlich noch der ganze rote Staub dazu, und Romantik pur entsteht am Himmel!

Über Bolivianer

Am Tag ist es recht warm, vor allem für Sport. Aber entweder hatte ich ein viel abgehärteteres Bild von Bolivianern, oder bin selbst schon so akklimatisiert. Auf jeden Fall regen sich sehr viele Leute schon über die Hitze auf, obwohl es ja noch viel wärmer wird. Und ich finde es eigentlich im Moment ganz okay. Heiß natürlich, aber trotzdem akzeptabel.

Noch etwas über Bolivianer, eine Sache an die man sich gewöhnen muss: die Zuverlässigkeit.
Eine Eigenschaft, die mir sehr am Herzen liegt, und hier nicht so wertgeschätzt wird.
Gehört irgendwie zum Bild dazu, dass man von hier hat, auch von Europa aus.
Interessanterweise komme ich aber ganz okay damit zurecht, zumindest solange ich nichts brauche.
Es sind viele Kleinigkeiten: Schüler die sich Dinge ausborgen und sie „eh gleich wieder zurückbringen“. Auch Lehrer, die ein Problem haben, das ich nicht sofort lösen kann.
„Ja, ich komme später wieder!“. Das liegt im Rahmen von ein paar Tage später bis nie wieder.
Auch unser Kollege Juan Carlos, mit dem wir fischen waren. Das Auto, das nie ankam.
Oder er fährt kurz nach Hause und kommt dann wieder zu uns. Nicht.
"Morgen um 11 komme ich vorbei um dies und das zu erledigen". Auch nicht.

Wie bereits einmal erwähnt, man lernt sehr viel Gelassenheit im Umgang mit solchen Dingen.

Im Schul-Klo mache ich neue Bekanntschaften. Eine Ameisenstraße quer vor meinen Füßen und zwei Kakerlaken, die sich im Handtuch einquartiert haben. Momentan gibt es auch sehr viele Raupen, Riesendinger.




Jeden Tag werfen wir welche aus der Computación hinaus.Auch das muss man gelassen angehen, Tierchen gibt es hier wahrlich zur Genüge.
Daran merkt man den kommenden Frühling und auch an den Mangobäumen. Die beginnen langsam zu tragen, und leider auch abzuwerfen, zum Beispiel auf unser Dach. Unsere Freundin Brigitta hat zwei Reisenbäume in ihrem Garten und einen Gärtner, der alle Hände voll damit zu tun hat, aufzuräumen.



Wir kochen jetzt am Abend zuhause, meistens bei einem Ö1-Nachrichten Podcast, um informiert zu bleiben. Aber die Vielfalt ist auch nicht wahnsinnig, außerdem geht schon viel Zeit drauf fürs Kochen. Wahrscheinlich wechseln wir wieder zur Schulkantine. Bis wir die dann nicht mehr sehen können.

In meiner kurzen Freizeit lese ich gerne Harry Potter, auf Spanisch. Eine Buchreihe, die ich fast auswendig kann, was sehr praktisch zum Spanisch lernen ist.
In meiner Arbeitszeit erstelle ich momentan viele Prüfungen für die Schüler. Ein schweres Unterfangen, da ihr Level meistens viel tiefer als erwartet ist. Auch haben sie den Prüfungsmodus noch nicht ganz verstanden.
Dass man allein arbeitet, nicht spricht oder abschaut, nicht googelt.
Oder Dinge überspringt, die man nicht weiß und mit etwas Leichterem beginnt.
Wir hatten Kinder die bei einer zweiteiligen Prüfung (Teil 1: Bilder in Word einfügen, Teil 2: Dinge googeln) eine Stunde lange herumsitzen und halbherzig versuchen das Bild einzufügen, bis sie sich mit meiner Mithilfe endlich entschließen den zweiten Teil anzupacken.

Wir bauen die Prüfungen oft so, dass es einige schwierige Dinge gibt, für die guten Schüler.
Die schaffen sie auch ohne Probleme, der Rest verzweifelt aber an viel grundlegenderen Dingen. Wir haben Klassen wo die Hälfte durchfällt, der Rest knapp positiv ist und zwei Kinder alle Punkte haben.
Schwierig, da zu prüfen.
Außerdem nehmen sie es nicht ganz ernst denke ich, kaum jemand lernt, obwohl wir ihnen in der Stunde davor die Möglichkeit dazu geben.
Darf man auch nicht zu ernst nehmen. Ich versuche die durch Humor und ein angenehmes Klima zu motivieren, und lächelnd ihr Betteln und Bitten über mich ergehen zu lassen.

Die Noten müssen bis nächsten Montag alle eingetragen sein. Das ist teilweise wirklich schwierig, wie benotet man Schüler die einmal gekommen sind? Besonders in den höheren Jahrgängen ist die Anwesenheit... dürftig.

Brunch


Eines Sonntagvormittags lädt uns Brigitta zum Brunch ein.
Sie war in Santa Cruz, also gibt es viele ungewohnte Ding. Wurst, Käse, selbstgebackenes Brot und Zopf, Fruchtsalat mit Eis, Kuchen.


Wir essen uns satt und sind zufrieden wie selten.
Mit dabei waren noch zwei schweizer Pensionisten, einer mit seiner bolivianischen Freundin samt zweier kleiner Kinder, mit denen wir ein bisschen spielen. Oder sie mit uns..
Die kulinarischen Highlights stammen allesamt aus einem Haus, das ist zumindest sicher.

 Die Internet-Geschichte

Das Internet ist in Bolivien mäßig komfortabel.
Solange es funktioniert, ist es normalerweise sehr langsam. Dann stelle man sich vor, diese Geschwindigkeit wird noch auf 13 Schüler- und 4 Lehrercomputer verteilt.
Vor kurzem hat es jedoch begonnen, schleichend den Geist aufzugeben. Viele Seiten funktionieren gut, aber viele gar nicht. Darunter alle bolivianischen. Zum Beispiel die Seite des Bildungsministeriums, die die Sekretärin andauernd braucht. Die ist natürlich nicht glücklich mit der Situation, und wir, ganz frisch in Netzwerktechnik, haben nicht wirklich viel Ahnung was wir da machen sollen.
Also konsultieren wir ganz technikermäßig Google und durchforsten Foren.
Zuerst säubern wir ihren Computer von Viren, dann spiele ich viel mit in Google vorgeschlagenen Einstellungen herum – ohne Erfolg.
Wir steigen um auf die Routerkonfiguration, wissen da aber auch nicht weiter.
Wir beschließen die Geheimwaffe zu ziehen: einen Router-Reset.
Was das genau bedeutet wissen wir auch nicht – wir hoffen es löst die Probleme, wie das Ein- und Ausschalten des Computers.
Tja, da hätten wir uns besser informieren sollen. Der Router ist auf dem Werkzustand, alle Einstellung, alle IP-Adressen und Konfigurationen, alles weg.
Naja, kann passieren als Informatiker. Das ist der Fluch der Software.
Wir graben ein altes Bild aus, auf dem gewisse Daten der Konfiguration zu sehen sind, und versuchen bruchstückhaft, das Gebilde nachzubauen. Wir schlagen uns mit Massen an unerklärlichen Begriffen herum die wir nicht verstehen, die Einstellungen sind wirklich unverständlich und wahnsinnig viele.
Aber wir gestehen uns ein, dass es so nichts wird. Am nächsten Morgen rufen wir den Internet-Anbieter an. Ja, sie schicken einen Techniker. Der kommt dann auch. Am Abend.
Kennt sich so wenig aus wie wir kommt mir vor uns spielt auch an der Konfiguration herum. Aber er hat die Geheimwaffe: Einen neuen Router der richtig konfiguriert ist.

Und endlich geht es wieder! Noch langsamer als früher, aber alle Seiten laden! Welch Erfolg, viel haben wir geschwitzt.

Bolivien und Österreich


Man würde es nicht erwarten, aber die beiden Länder haben einige Beziehungen.
Nach seinem Amtsantritt vor 10 Jahren wollte Evo Morales andere Länder besuchen. Die erste Einladung gab es von Heinz Fischer und so bekamen wir hohen Besuch. Es gibt meines Wissens einen Deal dass Bolivien 
seine Koka-Blätter als erstes nach Österreich exportieren wird (momentan ist das noch verboten. Die Blätter sind in den Augen vieler zu nahe mit Kokain verwandt, und das will natürlich niemand). Wenn die Blätter aber ihren Status zurückgewinnen können und weniger in Verruf sind, wäre es ein wichtiges Exportgut.
Auch Doppelmayr gibt es hier. Ganz La Paz (die Stadt auf ca. 4000m) ist mittlerweile durch Seilbahnen verbunden - aus österreichischer Hand. Wir gewannen damals einen Wettstreit darum, wer die Lifte bauen darf.

Eine Sache die mich interessiert, und als ich sie erfahren habe, auch geschockt hat, ist die Stromerzeugung. Es gibt noch keine Überlandleitungen aus Santa Cruz, das heißt der Strom muss lokal erzeugt werden. Für die Gegend hier übernehmen das fünf große Dieselgeneratoren.
Man stelle sich das vor. Der Diesel kostet ca. 25 Cent pro Liter, insgesamt ist der Strom hier vergleichsweise teuer.
Dass noch niemand eine nennenswerte Alternative dazu gefunden hat...


Ein neues Wochenende, neues Glück im Sport!
Es ist der dritte von sechs Samstagen. Ich bin endlich wieder fit zum spielen, wir besiegen die Maturaklasse im Fußball. Zur Belohnung gehen wir schick Abendessen.


Normalerweise kauft man zum Essen 2L Flaschen um ca. 2€, hier habe ich aber eine 190ml-Ein-Schluck-Flasche abbekommen.
Mein Plan war es, am Sonntag spazieren zu gehen, eine halbe Runde um den See zur Jesusstatue. Doch Juan Carlos rät mir davon ab. Als "reicher" Europäer ist es nicht ganz ungefährlich außeralb der Stadt. Es gab schon Vorfälle mit früheren Voluntären, die mit Pistolen und Messern bedroht und ausgeraubt wurden. Provozieren will ich so etwas natürlich nicht.
Leider war der Samstag anscheinend zu viel. Die Sonne oder die Kälte (es war recht frisch), gepaart mit wenig Schlaf und (passivem) Zigarettenrauch. Auf jeden Fall finde ich mich Sonntag und Montag wieder ans Bett gefesselt. Daher fallen die Spazieren-Pläne sowieso ins Wasser.
Erst am Dienstag schaffe ich es wieder in die Schule, und als erstes treffe ich gleich die Psychologin, die uns hier betreut. Das Gespräch fühlt sich recht psychologisch an.
Später führen alle Klassen ihre einstudierten Tänze vor, etwas das ich immer noch toll finde. Die Normalität und Begeisterung mit der die Leute hier Dingen nachgehen, die bei uns nicht so wichtig oder angesehen sind. Andererseits ist Informatik halt hier nicht so angesehen.

Paseo



Diesen Donnerstag (21.09) war ein spezieller Tag. Der Tag der Schüler.
Das bedeutet ein Ganztagesauflug mit der ganzen Schule zu einem See in der Nähe.


Die ersten Busse kamen um 5 Uhr morgens, wir durften zum Glück mit der zweiten Fuhre um 6 Uhr fahren. Das heißt sie kamen so gegen 7, die letzten Schüler allerdings auch.




Dann wurden massenhaft Essen und Grillutensilien eingepackt uns los gings.
Abgesehen von dem Ausflug nach Santa Cruz (wo die Busfahrt in der Nacht war) war dies für mich das erste Mal außerhalb von San Ignacio. Daher fand ich den Ausblick aus dem Bus besonders spannend (hier in bester Qualität zu sehen).








Insgesamt ist es sehr waldig, aber eher in Richtung Savannengewächse, ein bisschen hügelig, ab und zu Flächen für Tiere oder Siedlungen. Und natürlich viel Sand. Insgesamt recht eintönig und nicht so blühend und sprießend wie man es von Europa gewohnt ist.
Die Straßen sind so gerade wie die berühmten Highways in den USA. Einfach gerade über alle Hügel, wie eine Schnur.
Nach einiger Zeit verlassen wir die Asphaltstraße und biegen in eine Sandstraße ein. Die ist natürlich für den zweistöckigen Bus ein bisschen wackelig und wir werden gut durchgeschüttelt.
Hier wachsen noch nicht sehr viele Dinge, es ist noch immer Trockenzeit. Seit unserer Ankunft hat es etwa dreimal kurz geregnet. Es erinnert mich ein bisschen an die Auen im Winter.
Wir fahren durch Natur mit quasi sonst nichts. Man muss sich vor Augen halten, dieses Land hat eine zehnmal kleinere Bevölkerungsdichte als Österreich, also es gibt zwischen den Städten wirklich viel Nichts.
Der Ort wo wir hinfahren heißt San Juancito. Die Endung -cito bezeichnet kleine Dinge wie -chen oder -lein, und ist eine Sache die im lokalen Spanisch sehr beliebt ist. Sei es die Cucharita (Löfferl) oder der Profito (kleiner Professor), ahorita (heißt im Schulspanisch ahora, zu Deutsch „jetzt“), Cafecito (Kaffetscherl), Cervecita (Biertschi), etc. Man kann es immer verwenden.
Eine andere Eigenheit ist, dass die Person „ihr“ (also 2. Person Mehrzahl) nicht existiert. Man sagt zu einer angesprochenen Gruppe einfach „sie“ (ergo 3. Person Mehrzahl). Alle Verben werden auch in dieser Form benutzt. Zum Beispiel, wenn ich als Lehrer direkt eine Klasse anspreche.
Wenn ich später mit irgendjemandem Spanisch sprechen werde, habe ich vermutlich einen etwas seltsamen Dialekt.
Wir fahren durch ein kleines Dörfchen, das den Namen kaum verdient. Einige Gebäude, mit den günstigsten Mitteln gebaut, nur aus Holzstämmen und Lehm.
Wir kommen zum See und alle steigen aus. Die erste Fuhre hat schon Stellung bezogen mit Hängematten und Tüchern am Boden.


Tierisch gute Gesellschaft


Der See ist angeblich frei von Piranhas (bis jemand einen fängt, grillt und isst). 








Aber es ist sicher genug zum Schwimmen für die Schüler. Trotzdem gibt es eine kurze Ansprache mit den Regeln für den Tag.




Schwimmen gehen dürfen nur die, die Schwimmen können, denn das ist keineswegs selbstverständlich. Es gibt ja auch kaum Orte zum Üben. Den ganzen Tag werde ich gefragt ob ich schwimmen könne. Als Europäer und Professor wird so einiges von einem erwartet! Caspar hat einen Rubic‘s Cube (Zauberwürfel) mitgenommen und wir haben damit einen kleinen Trend losgetreten. Und noch immer fragen mich die Kinder ob ich ihn auch lösen kann.

Es werden Kanus aufgetrieben und die Kinder haben eine Gaudi. Auch ich werfe mich kurz in die Fluten, aber ich bin noch immer verkühlt.
Das Mittagessen kochen die Professoren. Es gibt gegrilltes Schwein, Huhn, Reis, Yuca (wie Kartoffel) und Salat. Die Massen sind unvorstellbar, für ca. 250 Leute. Das Kochgeschirr ebenso dimensioniert.
Aber das Essen schmeckt! Nur das Fleisch hier (vom Huhn abgesehen) ist unglaublich zäh. Wie Kaugummikauen. Hier einige Eindrücke vom Kochen und der Warteschlange an hungrigen Schülern.



Einmal Hühnerschenkel bitte!


Salat im Kinderschwimmbecken



Die stolzen Griller



Caspar voll beteiligt


Es gibt auch schmackhafte Würstchen
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Alle wollen Essen!

Es gibt auch eine rechte Tierpopulation hier. Die üblichen Streunerhunde, Esel und auch Schweine. Etwa 10 ausgewachsene und wahre Horden von Ferkeln. Ziemlich süß, aber lästig, wenn man eine Grillfete schmeißt.



Später gibt es Spiele und Sport. Fußball, Volleyball, auch Sackhüpfen (Caspar gewinnt) und Apfel Wettessen (Caspar gewinnt ebenfalls). 




Wir haben unseren Spaß! 
Und schon geht der Tag zu Ende und wir müssen wieder nach Hause.
Beim Warten auf den Bus spiele ich mit ein paar Schülern Volleyball.





Evo Morales



Es folgen Tage der Feierlichkeiten zu Ehren des Departamentos Santa Cruz, das 207 Jahre Geburtstag feiert.


Das bedeutet wir bekommen Besuch vom Präsidenten Evo Morales, der auch die recht neue Asphaltstraße nach Santa Cruz besichtigt.
Er kommt am Freitagnachmittag, die Schule fällt aus. Solche Sachen kommen für uns immer ganz überraschend. Einem wird eigentlich nichts gesagt, wenn man Glück hat schnappt man etwas auf und kann nachfragen. Sonst muss man eben spontan sein, in diesem Fall fällt uns das nicht sehr schwer.


Wir treffen auf dem großen zentralen Platz die SchülerInnen und warten gemeinsam. Denn statt um 12 kommt Herr Evo um 3. Das Militär steht stramm wie so oft, auch während der ganzen Rede in der Sonne; mein Beileid!




Bei der Ankunft beginnen Angestellte Knallkörper in die Luft zu schießen. Wahnsinnig laut und nicht sehr hilfreich für… irgendetwas.


Alle jubeln halb begeistert. Er winkt fröhlich in die Menge. 






Evo ist hier aber nicht sonderlich beliebt. Er konzentriere sich anscheinend mehr auf das Hochland, aus dem er stammt. Hier verändert sich nicht so viel, vor allem wenn man nicht Teil seiner Partei ist.
Es folgt eine langatmige Rede, die ich mit einem Cola mit den Schülerinnen überbrücke. Nur gegen Ende komme ich zuhören. Ich verstehe hauptsächlich Sachen wie „80%...“; „20 Millionen!“; „Viva Bolivia!“.
Dann zieht er in atemberaubendem Tempo wieder ab. Von den letzten Worten bis zur Abfahrt der Autokolonne vergeht kaum eine Minute.
Wir ziehen auch ab, nämlich in die Schule. Überraschend (für uns) kommt die Notenkonferenz. Die dauert ewig, es gibt einfach zu viele Jugendliche und negative Noten.



Desfile




Samstags (23.09) gehen die Feierlichkeiten weiter mit einem erneuten Aufmarsch der Schulen. Nicht so viele wie letztes Mal zum Glück, daher ist das Ganze etwas kürzer. Das Militär ist wie immer präsent, diesmal mächtiger denn je. Es sind geschätzte 200 stramm stehende Bewaffnete anwesend.
Die Militärkapelle spielt wieder ihr schräges Lied und von hinter mir singen 200 junge Männer die Hymne aus voller Kehle, die Gewehre im Anschlag auf unsere Rücken gerichtet.
Und wenn ich sage aus voller Kehle dann meine ich das auch! So begeistert habe ich selten jemandem singen hören, ob freiwillig oder nicht.



Man beachte den Soldaten der am begeistertsten singt


Ich kriege währenddessen einen etwas peinlichen Hustenanfall, der sich nur mit einem hastig gekauften Sprite beenden lässt.
Wir gehen weiter zur Warte-Area. Dort beginnen die Mädchen Selfies zu machen. Darin sind sie nämlich Weltmeister. In gewissen Dingen fühle ich mich wie Zuhause. Die Anzahl an Fotos muss aber wahrhaft gigantisch sein, Caspar und ich sind auch auf vielen, wir sind halbe Celebrities.
Beim Marsch selbst habe ich dann die Ehre 10 Handys aufzubewahren.
Der Kommentator erwähnt uns Freiwillige lobend. „Seht, auch die Voluntäre aus Österreich sind hier. Anwesend. Arbeitend. Ein gutes Beispiel“. Ich recke sofort die Brust raus und gehe stolz mit meiner Schule.







Am Abend kommt der nächste Programmpunkt. Eine „Verbrüderungsfeier“ der Lehrer. Das bedeutet wir treffen uns und essen, trinken Bier wie die Jugendlichen und tanzen.
Manchmal sind die Lehrer wirklich wie Kinder. In der WhatsApp Gruppe zirkuliert alles von Massen-SMS bis zu Katzenfotos und Sprüchen. Und sie können genauso kreischen wie die jungen Mädchen!
Natürlich hören wir ohrenzerfetzende Musik. Ich muss sagen ich bin schon an den Reggeaton gewöhnt, aber gefallen tut er mir noch immer nicht. Alle Lieder klingen für mich gleich. Aber den Leuten hier gefällt‘s unglaublich gut.
Eine andere skurrile Sache ist die Gemütlichkeit. Die ist hier nicht gern gesehen, nach unseren Standards.
Die Feier ist mit Plastiktischen und Sesseln, unter dem Vordach am Beton bei Energiesparlampenlicht und der übersteuerten Musik.
Ich vermisse ein bisschen einen gemütlichen Rückzugsort, der auch sauber ist, mit Teppichen und einem bequemen Sofa, einfach zum Hinwerfen.
Außerdem war ich endlich beim Friseur. Die Kinder hängen mir seit Ewigkeiten damit in den Ohren, dass ich einen neuen Haarschnitt brauche. Mein Halbafro war anscheinend zu seltsam.
Jungs hier haben alle kurze Haare. Mädchen alle lange (also wirklich lange, viele hüftlang). Und alle glatt und schwarz. Das sind schwer zu brechende Gesetze. Auch Bärte sieht man fast nicht.


Am Sonntag gehen wir zu einem Kermesse (Konzert-Essen) das vom Fassiv, dem
Dort spielt eine Geiger-Gruppe auf. Natürlich beginnen sie mit Klassikern wie Despacito. Aber wir sind schwer beeindruckt von ihrem Können! Nebenbei verdrücken wir je ein halbes Huhn.


Ein kleiner Ausschnitt aus "Despacito" auf Geigen:





Anlässlich der anstehenden Nationalratswahl haben wir online Wahlkarten beantragt, ohne große Hoffnung sie rechtzeitig zu erhalten.
Doch heute (26.09) sind sie überraschend angekommen, nach nur einer Woche. Nächste Woche werden wir sie in Santa Cruz aufgeben und hoffen, dass sie es ebenso schnell wieder nach Hause schaffen.

Zuwachs


Mittelweile hat unsere WG Zuwachs bekommen. Jean Baptiste, ein 30-jähriger Franzose der als Wandergeselle hier in einer Tischlerei arbeitet zieht bei uns in das zweite Zimmer. Das heißt wir teilen uns von nun an wieder ein Zimmer.

Auch gegenüber, im Internat wo die Kinder wohnen sind zwei neue Freiwillige angekommen. Zwei deutsche Mädchen in unserem Alter, sie lernen wir auf dem Ausflug mit der Schule kennen.

Alle drei wirken bisher sehr nett und angenehm, ein Segen, denn das ist die (unfreiwillige) Gesellschaft für das nächste Jahr.

Mehr darüber uns über unseren zweiten Besuch in Santa Cruz gibt's in der nächsten Ausgabe.


Kommentare

  1. Hallo Valentin! Ich kenne dich zwar noch nicht, aber freue mich auch immer über deine ausführlichen Berichte über euren Zivildienst. Wünsche euch beiden weiterhin alles Gute und wir werden uns dann hoffentlich im Juli 2018 in San Ignacio de Velasco. lg, Bernhard

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    1. Hallo Bernhard! Schön, dass ich anscheinend so viele erreiche!
      Was bringt dich dann nach Bolivien? Bist du zukünftiger Anwärter? ;)

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